bos. Bevor „Horti, das Huhn“ über die Bühne im Sternensaal gackerte, war einiges los. Die Kleinsten suchten sich vorne gute Plätze und wer früh kam, hatte Zeit, mit seiner Mutter ein Bilderbuch anzuschauen. Aus den vielen Kinderaugen sprachen Erwartung, Aufregung und Freude, nur manchmal etwas Zurückhaltung. Doch alle, Gross und Klein, waren neugierig.
Horti, das Huhn wohnt in einem sehr musikalischen Hühnerhof auf dem Land. Kunststück, wird doch der Hühnerhof von den „Donne virtuose“ begleitet. Wie aus einem Guss musizieren Fränzi Frick und Caterina Klemm mit ihren Geigen, zusammen mit Nicole Hitz, Bratsche und Eva-Maria Burkard, Cello. Fränzi Frick ist auch eine begnadete Geschichtenerzählerin und sie führt die Kinder durch das Märchen. Die Musikerinnen wählten die Musikstücke so aus, dass sie immer zu Hortis Stimmung passen.  Dass ein Stück aus der Symphonie „La poule“ von Josef Haydn den Anfang macht, überrascht nicht. Fröhlich und lebhaft ist die Musik, denn auf dem Hühnerhof sind alle Hühner und auch der Hahn sehr glücklich. Rhythmisch ganz präzis gackern die Streicher. Mit sehr schönen Harmonien wird die Zufriedenheit des Federviehs ausgedrückt. Doch eine Ausnahme gibt’s.  Horti, die eigentlich Hortensia heisst, ist todunglücklich. Da bringt das Streicherquartett tiefe und dramatische Tonmotive. Horti hat ein grosses Ziel. Sie will berühmt sein. Doch weil ihr das auf dem Hühnerhof nicht gelingt, packt sie das heulende Elend. Und die Geigen heulen mit. Die Bratsche jammert und das Cello klagt in tiefsten Tönen. Schwermütig seufzt da die Musik. Unzufriedenheit  mit dem Hühnerschicksal kommt zum Ausdruck. Gurren, Gackern, Herumstehen und zum Schluss in einer Hühnersuppe landen, das kann es nicht sein. Hortis Herz ist schwer wie ein Stein. Es ist so schwer, dass sie gar nicht merkt, dass der Hahn ein verliebtes Auge auf sie geworfen hat. Berühmtheit muss her. Sehr schön werden jetzt die Kinder in die Geschichte miteinbezogen. „Was würdet ihr machen, um ganz berühmt zu werden?“ Die Antworten reichen vom Fallschirmspringen, übers Schifahren bis zum Cellospielen. Horti entscheidet sich fürs Tiefseetauchen. Träumende Melodien unterstreichen diese Fantasie. Eine Meerjungfrau ist auch musikalisch sehr schön. Und was es unter Wasser alles zu entdecken gibt. Doch dann kriegt Horti  Angst. Gefährlich und dunkel sind die Meerestiefen. Dem Bauch des Cellos werden die tiefsten Töne entlockt. Autorennfahren ist Hortis nächste Idee. Da ist ein Ragtime mit gut platzierten Schreien genau das Richtige. Schnelles Tempo ist angesagt. Grossartig wie die vier Musikerinnen in einem Forte über die Rennbahn jagen. Ganz präzis gehen sie ins Piano und behalten das rassige Tempo bei. Spritzig sind die Geigen, spritzig wie der Champagner bei der Siegerehrung. Doch wiederum hat Horti Angst. Autorennen sind gefährlich. Die nächste Idee zur Berühmtheit passt zur Jahreszeit. Wie wäre es als Samichlaus? Und schon steht er vorn auf der Bühne zur Freude der Kleinen. Da passt Musik von J. Strauss. Es ist die Polka „leichtes Blut“. Doch Horti hat Bedenken. Das ganze Jahr allein im Wald, Grettibenzen und Lebkuchen backen, daneben einen störrischen Esel aushalten. Nein, das ist zu viel Stress. Der Samichlaus geht, begleitet von einem ruhigen Largo. Horti guckt über den Hühnerhofzaun, entdeckt einen Güllenwagen und hat die Idee des Lebens. Der Güllenwagen soll als Rakete zum Mond dienen. Es braucht nur genügend Gas als Antriebsmittel. Alle Hühner dürfen nun fressen und anschliessend in Übermengen Gas produzieren. Und bei dieser „Gasmusik“ dürfen alle mitmachen, nicht nur die vier Streicher, die das übrigens stilvoll beherrschen. Horti steigt auf den Güllenwagen und der Flug zum Mond beginnt. Die rasante  „Petersburger Schlittenfahrt“ von Eilenberg begleitet den Raketenflug. Immer schneller hüpfen die Streicherbögen über die Saiten. Das tiefe Cello gefällt. Herrlich sind die Wechsel von Forte zu Piano. Horti fliegt immer weiter weg, und dazu passend wird die Musik immer leiser.
Hat Horti sich jetzt zu einem glĂĽcklichen Huhn gemausert? Niemand weiss es. Doch vielleicht entdeckt ein Kind mit einem Fernrohr eines Tages ZehenabdrĂĽcke von Horti auf dem Mond. Wer weiss! Zum Schluss ĂĽberreicht der Samichlaus den Kindern Mandarinen und NĂĽsse. Ganz offensichtlich ist er glĂĽcklich mit seinem Job. Und die Kinder freuen sich.
Wohler Anzeiger 9. Dezember 2011
bos. Fröhliche, lebhaft gestaltete Musik in einem kleinen, aber feinen Rahmen, dazu lud der Konzertfonds ein mit Wiener Kaffeehaus- und Zigeunermusik.
Die Servierfrauen haben alle Hände voll zu tun und die Kaffeemaschine dampft. Doch als Arlette Meier-Hock mit ihrer Violine und Felix Gubser am Klavier aufspielen, verstummen Plaudern und Geschirrgeklapper. Jetzt hat die Musik das Sagen. Und wie die beiden musizieren! Wiener Charme und Schmäh und Ungarisches Feuer werden wie auf einem Servierbrett präsentiert. Auf dem Programm stehen Werke von Komponisten Ende des 19. und anfangs des 20. Jahrhunderts. Viele Ohrwürmer sind dabei. Doch frisch, wie aus einem Schatzkästchen gepellt, kommen sie daher. Es ist schon eine grosse Herausforderung, bekannte Musikstücke kurzweilig und lebhaft zu bringen. Beide Künstler haben dies mit Bravour und Talent gemeistert. Mit Konzentration und gleichzeitiger Leichtigkeit wird musiziert. Die Musik ist dem Raum bestens angepasst, nie zu laut, nie zu leise. Grossartig gelingen Verlangsamungen und Beschleunigungen, wie auch Variationen in der Dynamik. Das Zusammenspiel könnte ausgewogener nicht sein. Nur mit kurzem Blickkontakt synchronisieren die beiden die Musik.
Ein Bolero macht den Anfang. Herzhaft greift der Pianist in die Tasten. Doch die Geige hat die Melodie, lieblich, auch mal trotzend. Passend begleitet das Klavier. Doch zwischendurch übernimmt es auch die Führung, überrascht mit kurzen Motiven. Beschwingt geht’s zu Walzerrhythmen. Dann kommt ein Marsch daher, spritzig und temporeich. Der Geigenbogen hüpft über die Saiten und das Klavier führt zu einem fulminanten Schluss.  Dass geschickt eingefügte Pausen eine enorme Spannung bringen können, zeigt das Stück „Souvenir“. Es gefällt schon beim ersten Hinhören. Und ein Mini-Portamento macht herrlich weiche Ecken. Der Ungarische Tanz Nr. 5 von J. Brahms gelingt perfekt. Da werden alle Erwartungen erfüllt. Die Geige fiedelt aufs Schönste, mal wild, mal verträumt. Mädchenröcke wirbeln, Mädchenzöpfe fliegen und locken den Liebsten zum Tanz, schubsen ihn neckisch weg um ihn kurz darauf von neuem zu umarmen und im Kreis zu drehen. Und das Klavier stampft, begehrt auf. Neue Akkorde bringt „Mitternachtsläuten“. Die Geige bezirzt mit Lieblichkeit. Das Klavier überzeugt mit federleichten Läufen von Unten nach Oben und markiger Begleitung. Wie das Wetter sind die Stimmungswechsel, nie abrupt, ganz natürlich. Wunderschön ist das Zusammenspiel bei „Komm, Zigany“. Ein junger Bursche träumt von seiner Liebsten. Seufzer in der Geige geben der Sehnsucht Ausdruck. Und das Klavier turtelt mit kurzen, prägnanten Motiven.  Da wird der Bursche übermütig. Temperamentvoll lädt er sein Mädchen zum Tanz, hält es fest, lässt es los und dreht es schwindelnd im Kreis. Herrlich dazu ist das einfühlsame Motiv der Geige. Der fulminante Abschluss gelingt so vortrefflich, dass der Pianist vor Freude lacht.
Nach der Pause macht der Pianist mit Tonsprüngen den Anfang.  Sanft wiegende Geigenklänge werden von einer liebevollen Begleitung eingelullt. Dazu bringt der Off-Beat  Salz und Pfeffer. Fritz Kreisler entführt mit seinen kurzen Stücken in die Wiener Kaffeehäuser. Die Belle Epoque lebt auf. Traditionell russische Musik begeistert immer wieder. Wehmütige, klagende Klänge der Geige wechseln ab mit einem lüpfigen Tanz. Da gehen die galoppierenden Pferde in der weiten Steppe für einen Moment durch. Ungewohnt geheimnisvoll funkeln die schwarzen Augen in einer Zigeunerromanze. Da leuchten die Disharmonien in der Geige. Die slawische Klage führt in den Osten und wird so zart gespielt, dass Kaffee und Kuchen vergessen gehen. Dafür werden Erinnerungen, ja sogar Schwermut genossen. Wie Herzklopfen ist die Begleitung. Ein Csárdás führt an den ungarischen Hof. Mit der Geige wird getanzt, und das Klavier philosophiert. Langsam steigt die Spannung. Lupenrein werden die höchsten Geigentöne intoniert, fallen gekonnt in tiefe Lagen. Dazu unterstreicht das Klavier witzig den Rhythmus. Die Zugabe ist eine Sizilienne. Sie verleitet die Geige zu filigranen Trillern. In den Händen von Arlette Meier-Hock kann dieses Instrument singen. Und Felix Gruber kann alle Register ziehen, um mit einer subtilen Begleitung zu verzaubern.
Herzlich war der Applaus. Ohren, Herz und Gaumen freuten sich. Und herrliche Melodien und Kaffeeduft lagen noch ein Weilchen in der Luft.
Wohler Anzeiger 13. September 2011
In einem Bächlein helle…
bos. Der Konzertfonds Wohlen lud am vergangenen Samstagabend zu einem besonderen Konzert in der Reformierten Kirche ein. Eine musikalische und auch launische Forelle trieb mit Melodien und Spielfreude ihren Schabernack.
Doch der Abend beginnt mit Musik von Johann Sebastian Bach. Dieser erste Teil des Programms ist nicht nur hörbar, sondern auch sichtbar als ein Crescendo gestaltet. Christina Gallati spielt auf ihrer Geige die bekannte Partita in E. Und wie sie ihr Solo spielt! Fröhlich, beseelt, in wunderbarem Wechsel von Piano zu Forte. In den zweistimmigen Inventionen kommt die Viola dazu, meisterhaft gespielt von Markus Wieser. Die ausgewählten Inventionen, im Original für Piano, entwickeln einen besonderen Charme auf zwei Streichinstrumenten. Geschmeidigkeit und etwas Filigranes fesseln den Zuhörer. Der Gesamtklang hat Farbe und eine eindringliche Intensität. Die achte Invention ist ein Wurf, kurz und bündig. Sie übersprudelt vor Fröhlichkeit. Dieser ernste Kirchenmusiker Bach hat durchaus eine heitere, ja humorvolle Seite. Die Steigerung setzt sich fort. Dreistimmige Inventionen, arrangiert für drei Streicher, ertönen. Sabina Diergarten-Leemann setzt mit ihrem subtilen, intensiv gestalteten Cellospiel neue Impulse und Farbtupfer. Schwerpunkte werden gesetzt, zerfliessen wieder. Herrliche Piani in der Geige wechseln mit witzigen Pizzicatos der Viola. Die Musik ist verträumt, versponnen, dann wiederum schnell und zupackend. Getragene Motive spielen geschickt mit Trillern. Da wächst die Lust auf mehr.
Der zweite Teil gehört Franz Schubert mit seinem berühmten Forellenquintett. Cäcilia Schüeli am Klavier und Kaspar Wirz mit dem Kontrabass kommen dazu. Mit grossem Talent und ansteckender Begeisterung lassen die fünf Musiker die Forelle schwimmen. Doch dieser Fisch kann weit mehr. In vertrautem Gewässer tummelt er sich. Das Wasser ist tief, das sagt die Bassgeige. Immer wieder setzt sie Akzente, witzig, sehr klar intoniert und in herrlich warmen, tiefen Tönen. Unter der Oberfläche turtelt der Fisch mit Wasserpflanzen, lässt sich von kleinen Wassertieren ablenken und schwimmt aalglatt mit der Viola weiter, hüpft mit dem Bogenstrich der Geige. Der virtuos und wunderschön gespielte Klavierpart lässt sie übermütig, ja frech werden. Das Klavier gestaltet mit seinen Tasten auch wilde Purzelbäume und verzaubert mit lieblichen Motiven. Ein Wasserstrudel auf der Viola weckt lustvoll die Neugier des Fisches. Tausend Mücken hüpfen verlockend zum Geigenton. Wie ein Piccolo tönt das Klavier und der Fisch schnellt nach oben und schnappt zu. Übersprudelnd vor Fröhlichkeit ist diese Musik. Sonnenkringel tanzen auf dem Wasser und die Forelle tanzt, dreht und wendet sich mit. Sie schiesst mit der Viola nach unten, mit der Geige nach oben und lacht mit dem Cello. Bei langen, fast klagenden Geigentönen hält sie inne. Zu schnellen Klaviermotiven bläst sie verschmitzt Luftblasen nach oben. Kurz ist ihr Verweilen, denn Cello und Bassgeige treiben sie weiter. Doch langsam schleicht sich etwas Unheimliches ins friedliche Bild. Ungeduldig zirpt die Viola, kündet etwas Dunkles an. Doch mit verspielten Geigenmelodien schiesst die Forelle bald wieder übermütig durchs Wasser. Das Scherzo presto ist grossartig. Jedes Instrument spielt meisterhaft seinen Part, geht ins Piano zurück und lässt dem Instrument mit dem Motiv genügend Raum. Da fühlt sich das Fischlein wohl. Es macht Luftsprünge, pfeilt blitzschnell davon und zeichnet Ringe aufs Wasser. Bei den Variationen ist die Forelle so richtig in ihrem Element. Die Bogenstriche der Streicher nehmen sie mit nach unten. Dazu sprudelt das Wasser mit dem überschwänglichen Spielspass des Klaviers. Wehmütig schleicht sich das Cello ein. Herrliche und zugleich traurige  Verlangsamungen bringen Spannung. Trüb wird das Wasser. Der Fisch zappelt an der Rute. Der beherzte Einsatz der Viola ändert nichts daran. Und die Bassgeige kann noch so schön das Thema spielen. Der Fisch wurde betrogen. Doch unermüdlich und ideenreich spielen die fünf Musiker das Forellenmotiv. Unzählige Fische tummeln sich immer wieder in verschiedenen Variationen fröhlich und nichts Böses ahnend durchs Wasser.
Die vielen Zuhörerinnen und Zuhörer waren begeistert. Da musste die launische  Forelle als Zugabe nochmals lustvoll ihren Schabernack treiben. Wäre das Wetter nicht so kalt, wäre das Schwimmen im nahen See eine Versuchung.
Wohler Anzeiger 21. Juni 2011
Symphonische Aspekte
bos. Grossartige Musik mit grossartigen Musikern war am Samstagabend im ausverkauften Casino zu hören. Auf Einladung des Konzertfonds war das Aargauer Symphonieorchester in Wohlen zu Gast.
Ludwig van Beethovens Ouvertüre zu „Fidelio“ begeistert gleich zu Beginn. Mit Elan und offensichtlichem Spass dirigiert Douglas Bostock sein Orchester. Geschickt gestaltet er das Wechselspiel von lebhaften Takten mit zarten Legatos. Kontraste hebt er hervor. Weich klingt das Horn, markig tönt die Pauke. Vortrefflich gelingen die Steigerungen von Piano zu Fortissimo. Schwere Akkorde wechseln mit fröhlichen Melodiebögen, schrammende Reibungen bei den Streichern mit dem Liebreiz eines Querflötensolos. Lyrische Passagen lösen sich auf und gehen über in Marschmusik. Ein Klarinettenmotiv mündet geschickt ins Tutti. Klangmöglichkeiten werden voll ausgeschöpft.
Es folgt das Klavierkonzert Nr. 5 in Es Dur von Beethoven. Solist am Flügel ist Bernd Glemser. Und wie er spielt! Mit virtuosen Läufen geht er gleich zur Sache. Daneben hüpfen die Violinen wie Gazellen. Das Horn bringt Glanzlichter in die Landschaft und wie ein Fels markiert die Pauke. Überraschend ist immer wieder diese Lieblichkeit in Streichern und Bläsern. Das Wechselspiel von Orchester und Klaviersolo bringt einerseits Spannung und andererseits Leichtigkeit. Nahtlos schmeichelt sich das Klavier ein und zelebriert Töne, ja Sterne. Dieser Pianist prägt sich in Ohr und Herz der Zuhörer ein. Sein Spiel lebt von Gegensätzen. Da sind Innerlichkeit und Hinhören zum Orchester. Da sind unspektakuläre Zartheit und Spass an Überraschungen. Höchste Konzentration und neckische Spielfreude liegen nebeneinander. Mit einer Selbstverständlichkeit klettern Töne die Tonleiter hinauf und fallen wie Wassertropfen nach unten. Leise und mit Fingerspitzengefühle werden Töne wie Perlen oder Blütenblätter hingestreut. Daneben schwellen Forti wie eine schäumende Brandung auf. Virtuosität und Einfachheit gehen lustvoll daher. Bernd Glemser gelingt das nahtlose Zusammenführen von Gegensätzen und das gibt seinem Klavierspiel eine geniale Ausstrahlung. Dann werden die lausbubenhaften Einfälle zweier Geigen bald übertrumpft vom ganzen Orchester. Rhythmisch interessant ist der Off beat. Und herrlich lyrisch klingt das Horn. Wohltuend ist eine Klavierkadenz. Der 2. Satz beginnt melancholisch, ruhig und schlicht. Ein wunderschönes Klaviersolo ist in den Orchesterklang eingebettet und beides verschmilzt zu einer grossartigen Einheit. Da sind nur noch Hören und Staunen angesagt. Ein Streicherteppich lässt träumen. Pizzicati und Gesang auf dem Klavier bringen Luftigkeit. Ein Solo des Fagotts präsentiert sich im schönsten Klang und die Querflöte darf in allen Facetten strahlen. Doch plötzlich schreckt das Klavier jeden verträumten Zuhörer auf. Die tiefen Streicher holen jeden vehement in die Wirklichkeit. Das Rondo ist angesagt. Jetzt wird getanzt. Der Dirigent gestaltet mit differenzierten Impulsen und lässt seine Musiker zu einem herrlichen Gesamtklang hochfahren. Zwiegespräche zwischen Fagott und Klavier, Girlanden auf den Tasten, unmerkliches Herunterfahren der Pauke zu einem Pianissimo bringen reizvolle Akzente. Das ist Gestaltung! Als Zugabe spielt der Pianist ein Siciliano aus einer Flötensonate von Johann Sebastian Bach. Im Publikum ist es mucksmäuschenstill.
Nach der Pause wird es anders. Das zeigen die Harfe, die grosse Trommel, Bassklarinette, Saxophon und ein grosses Schlagzeug. Sie sind dazugekommen. Symphonische Tänze von Sergei Rachmaninov stehen auf dem Programm. Ein Motiv aus drei Tönen macht den Anfang. Herrlich, wie die Pauke in ihrem Element ist, immer wieder unterstrichen von der grossen Trommel. Es geht zu moderneren Klängen. Das Schlagzeug gibt den Takt an. Fast wimmernd begleiten die Streicher. Schon frech, was sich da das Piccolo erlaubt! Doch die Klarinette mischt subtil mit. Dann bringt das Saxophon neues Timbre. Eingebettet in ein grosses Ganzes spielt es gleichzeitig wunderbar souverän seinen Part. Mutig macht es einen Wettstreit mit der Querflöte. Die Bassklarinette eifert kurz und prägnant mit und bringt weitere Klangperlen. Dunkel ist ihre Farbe. Ruhig und kräftig weben die Streicher ihren Klangteppich. Die Bläser können ihren Einfallsreichtum nicht lassen und überraschen immer wieder mit frischen, kurzen Motiven. Unglaublich interessant ist das Schlagzeug. Und die Pauke bringt Feuer. Fast unheimlich ist der Walzer. Die Blechinstrumente sind gedämpft, die Streicher spielen pizzicato und dazu jubiliert die erste Geige in einem herrlichen Solo. Dann geht ein Seufzen durchs Orchester. Sturmgeheul im Piccolo und die Posaune wie beim jüngsten Gericht! Plötzlich bringen die Streicher Wärme und Schmelz, entführen kurz in ein südliches Land. Umso markanter ist die Verbundenheit der Bläser mit der weiten russischen Landschaft. Töne schwirren wie aufgeschreckte Heuschrecken über den Steppenboden. Urgewalten aus dem Osten werden beschworen. Und die letzte Steigerung zu einem Fortissimo gelingt dem Dirigenten mit Präzision und Leidenschaft.
Eine nicht enden wollende Begeisterung war der Dank des Publikums. Es war fast trunken vom Hörgenuss.
Wohler Anzeiger 17. Mai 2011
Die Nacht
bos. Mit einem sicheren Gespür für das Wesen der „Nacht“ hat der Chorleiter des Vokalensembles Cappella Cantemus Beat Wälti das Programm ausgewählt. Und viele Besucher folgten der Einladung zum Eröffnungskonzert des Konzertfonds Wohlen.
Abwechslungsreich und im positiven Sinne launisch wie der Mond ist der Abend im Rondell der Kanti. Mit dem Lied „Der Mond ist aufgegangen“ werden alle in die Nacht begleitet. Schnell fallen in diesem kleinen Chor die klare Intonation und die Ausgewogenheit zwischen Frauen- und Männerstimmen auf. Schlicht und einstimmig kommt die Melodie daher, untermalt von leiser Klavierbegleitung. Hier vermittelt die Nacht Lieblichkeit und Geborgenheit. In den Liedern des Renaissance Komponisten J. Downland leuchtet die Helle des Mondes auf. Schön und fein singt der Sopran. Nun bringt die Nacht Ruhe und Frieden. Doch die Bassstimmen tippen mit ihren Tönen das Geheimnisvolle an. Subtil gestaltet Beat Wälti Text und Melodie. Deutlich macht er das in einem tänzerischen Nachtlied. Es hat etwas Wiegendes und besticht durch eine deutliche Artikulation und lebhafte Dynamik.
Die verschiedenen Liederblöcke werden mit Klaviermusik unterbrochen. Alois Bürger spielt am Flügel Werke von E. Grieg. Und wie er spielt! Seine heimliche Liebe für diesen norwegischen Komponisten ist hörbar. Er spielt mit Faszination, Fantasie und einer unglaublichen Spielfreude. Da wird jeder Takt gestaltet. Schon die ersten Motive sind voll Spannung, wechseln ab mit Leichtigkeit und Sanftheit, zeichnen wiederum klare Linien. Zart und zugleich neckisch ist ein Wiegenlied. Ein beruhigender Fluss lullt die Kinder in süssen Schlaf. Dann kommt Grieg sehr dramatisch daher. Alois Bürger greift mit Ernsthaftigkeit und Konzentration in die Tasten. Und plötzlich blitzen Schalk und Übermut in seinen Augen auf. Lustvolle Forti wechseln mit perlenden Pianos. Da fallen tausend Wünsche als Sternschnuppen in Köpfe und Herzen der Kleinen. Ein anderes Stück lebt von Erinnerung und Sehnsucht. Es ist, als würde die Zeit ruhen. Nur die tiefen Basstöne schlagen und stampfen unerbittlich vorwärts. Vortrefflich und mit Bedacht gelingen die Verzögerungen im Tempo. Den Schlussakkorden wird Zeit gelassen, die Basssaiten kommen zum Klingen. Luftigkeit lässt atmen und staunen. Da ist ein Meister am Werk! Da entlockt ein Künstler dem nordischen Komponisten die Geheimnisse seiner Musik.
Der folgende Liederblock bringt Volksweisen. Meditativ ist ein indianisches Volkslied. Die Sopranstimmen führen, beschwören die nächtliche Geisterwelt. Anders ist die Stimmung in einem Berner Volkslied. Auch die Sterne und die Liebe gehören zur Nacht. Das Abendlied von Kodaly gleicht einem Gebet. Bestechend schön klingt der Sopran. Die anderen Stimmen summen dazu und bringen Reibungen. Wie ein Gebetsteppich liegt ein wunderschönes Schlusspiano da. In der nächsten Liedergruppe sind Werke von J. Rheinberger und R. Schumann. Da bringt die Nacht Friede. Voller Dynamik steigert sich dieser zu einem Fortissimo. Ein Sopransolo tönt wohltuend geradlinig. Da trübt kein Stäubchen. Rheinbergers bekanntes Abendlied ist wiederum ein Gebet mit der Bitte, nicht allein in der Dunkelheit gelassen zu werden. Hell, ja fast verklärt, beginnen die Frauenstimmen. Im Kontrast dazu singen die Männer markig und prägnant. Humor ist im folgenden Liederblock angesagt. Mozart hat ihn. In seinem Kanon „Bona Nox“ wird nicht geschlafen. Da wird geschmunzelt und gekichert. Und die kleine Nachtmusik bringt auch für einen Chor rechte Herausforderungen. Lustvoll sind die deutlich gesungenem Pa-pa-pa. Da lacht Papageno mit. Witzig ist das Glissando am Schluss. Der Nachtgesang der Fische von M. Evanzin weckt volle Aufmerksamkeit. Kein Ton ist zu hören. Es braucht schon Spitzfindigkeit, um die stumme Sprache der Fische zu enträtseln. Die Dynamik liegt nur in der Mimik, vor allem bei den Augen. Im Publikum wird gelacht und es folgt ein spontaner Applaus. Mit den nächsten Liedern geht’s in die Neuzeit. Bei B. Britten bringt die Nacht Lust, auch Sorg und Leid. Zentral ist der künstlerische Gesamtklang. Mit schnellen Tonsprüngen geht die Melodie von unten nach oben, wird mit rhythmischem Wechsel bereichert und geizt nicht mit Reibungen und Disharmonien. Empfindsam ist diese Musik. Der Zeitgenosse M. Lauridsen nimmt diese Stimmung auf. Chor und Pianobegleitung erzählen von guten Mächten. Mit Überzeugung tun dies vor allem die Bässe. Die Nacht wird hell. Disharmonien lösen sich in Wohlklang auf. Die Stimmlagen wechseln sich ab, steigern sich dann zu einem Gesamtklang. Der letzte Liederblock gehört J. Brahms. „Nächtens“ wirkt wie ein loderndes Feuer. Der Abendhimmel brennt. Spukgestalten und Irrlichter schwirren durch die Nacht. Das Klavier untermauert die grosse dynamische Spannweite. Dicht sind die Harmonien und Akkorde und darin leuchtet die Melodie der Tenöre. Im folgenden Lied wird der Mond besungen. Der Wechsel von verschiedenen Soli mit dem Chor gleicht der neckischen Zwiesprache zweier Liebender. Das bekannte „Nachtlied“ schliesst den Kreis. Friede und Schlummer durchweben die Nacht.
Als Zugabe sang der Chor nochmals das unbekannte Lied von M.Lauridsen. Es gefällt, hat einen grosszügigen Melodiebogen und könnte ein Ohrwurm werden. Das Konzert war beeindruckend schön. Das Publikum erlebte musikalische Sterne am Nachthimmel.
Wohler Anzeiger 12. April 2011
Papa Haydn’s kleine Tierschau
bos. Es muss schon besonders kurzweilig sein, wenn vor lauter Staunen Aug und Mund der kleinen Konzertbesucher offen bleiben. Ja selbst bei den Erwachsenen huschte immer wieder ein Lächeln ĂĽbers Gesicht. Dieses KunststĂĽck brachte am Sonntagmorgen im Rondell der Kanti das MusiktheaterstĂĽck „Wie klingt eine Giraffe?“ fertig. Zu diesem musikalischen Genuss und Spass hatte der Konzertfonds Wohlen eingeladen. Jörg Schade als Papa Haydn und die Bläsersolisten Aargau fĂĽhrten zusammen Regie. Dabei hatte es ein Mäuschen den Kindern besonders angetan.
Der Start ist schwungvoll und frisch. Jedes Instrument stellt sich selbst vor. Die Querflöte spielt verträumt und mit Charme ihre Melodie. Schnell versucht die Klarinette dem nachzueifern. Wohltuend und mit viel Wärme bringt sich das Horn in die Musik ein. Die Oboe will keck auftrumpfen, damit sie ja nicht zu ĂĽberhören ist. Herrlich wie das Fagott mit seinen tiefen Registern dafĂĽr besorgt ist, dass die Musik auf dem Boden bleibt. Papa Haydn tritt auf die BĂĽhne, gekleidet wie damals. Auch die PerĂĽcke darf nicht fehlen. Er scheint was zu suchen. Aber was? Dazu passen ein paar Takte aus der Sinfonie „Die Uhr“. MĂĽde setzt sich Papa Haydn in einen Sessel und schläft. Unbarmherzig tickt dazu die Uhr. Mit einer Sequenz aus der Sinfonie mit dem Paukenschlag wird der Schläfer geweckt. Er stellt sich nun den Kindern vor. „Ich bin Komponist und wohne im Schloss des FĂĽrsten Esterhazy. Auf den Wiesen rund ums Schloss liegt im Winter viel Schnee und im Sommer hat es viele KĂĽhe. Den Spitznamen Papa Haydn habe ich, weil ich um meine Musiker immer sehr besorgt bin.“ Doch Josef Haydn ist ein begnadeter Komponist. Sein Genie und sein Reichtum an Melodien zeigen sich in seiner Musik immer wieder. Dazu kommt sein Humor, der sich damals durch keine Obrigkeit beeinflussen liess.
Kaiserin Maria Theresia hat fĂĽr den Zoo in Schönbrunn eine Giraffe erhalten. Nun soll Haydn zu diesem Tier eine passendes TanzstĂĽck, ein sogenanntes Menuett, schreiben. Grossartig werden von Papa Haydn die Kinder und die fĂĽnf Bläsersolisten mit einbezogen. Und mit welchem Eifer die Kleinen mitmachen! Papa Haydn erinnert sich an seine anderen MusikstĂĽcke fĂĽr Tiere. „Der Bär“ wird kurz vorgestellt. Doch er passt mit seinen tapsigen Schritten, die das Fagott hier macht, ĂĽberhaupt nicht zur Giraffe. Auch „Die Henne“ bringt es nicht, obwohl hier die Klarinette ganz trefflich gackert. Plötzlich bringt eine dreiste Maus Verwirrung und Turbulenzen auf die BĂĽhne. Da sie offensichtlich sehr musikalisch ist, hat sie dauernd Hunger auf Notenpapier. Papa Haydn schleppt eine Riesenmausefalle auf die BĂĽhne. Die Maus muss gefangen werden. Ein Notenblatt dient als Köder. Doch damit ist nicht genug. Selbst Musik von Beethoven muss herhalten und das Tier anlocken. Die Jagd nach der Maus macht offensichtlich Spass. Gross und Klein geht begeistert mit und die Bläser unterhalten zusätzlich. Wo die Giraffe herkommt ist bald geklärt. Doch Afrika ist weit weg. Und wie sieht die Giraffe ĂĽberhaupt aus ? GrĂĽn, oder gelb oder blau? Die Kinder helfen. Papa Haydn zeichnet auf ein grosses Zeichnungspapier. Seine Mutter sagte ihm ja oft, eine Note sei ein Kreis mit einem langen Strich. So wird der Kreis der Körper, der Notenstrich der lange Hals des Tieres. Schritt fĂĽr Schritt entsteht eine lustige Giraffe. Ein Bub sagt ĂĽberzeugend, dass das Tier gelb sei und Flecken habe. Nun kann das Komponieren losgehen. Wie klingt die Giraffe? Welches Instrument passt am besten? Die Flöte ist es nicht. Sie passt zur Sinfonie „Die Lerche“. Der schwatzende Vogel zeigt sich kurz zur Freude der Kinder. Die Oboe schleicht eher wie eine Katze umher. Und die Klarinette macht den massigen Elefanten vortrefflich nach. Das Horn ist ganz klar fĂĽr den Bären bestimmt. Es kann so herrlich brummen. Nun wird es klar. Das Fagott ist das Instrument der Giraffe, schliesslich hat es den längsten Hals. Der Musiker lässt zur Bestätigung gleich eine Melodie mit warmen und tiefen Tönen aus dem langem Hals seines Instrumentes purzeln. Die Giraffe kann mit ihren langen Beinen auch gut tanzen. Kurzerhand setzt Papa Haydn das musikalische Mäuschen ein. Es darf jedem Musiker tänzelnd und scharwenzelnd ein Notenblatt bringen, denn fĂĽr die Giraffe ist eine vierstimmige Begleitung angebracht. Ganz ungezwungen beginnt das Fagott mit seinem Giraffenmotiv und hat bald Zwiesprache mit der Flöte. Frisch kommt die Oboe dazu. Fast klagend mischt sich die Klarinette ein. DafĂĽr darf das Horn Glanzflecken bringen. Doch welche Not fĂĽr Papa Haydn! Der König von Bengalien hat einen ganzen Tanzzirkus gekauft und wĂĽnscht fĂĽr jedes Tier ein passendes MusikstĂĽck. Aber nun ist genug! Kurzerhand packt Papa Haydn das Mäuschen und die beiden beginnen zu tanzen. Das gibt den Musikern die Gelegenheit, das Menuett „Die Giraffe“ nochmals zu spielen. Da packt die Maus wieder der Hunger und sie will Notenblätter fressen. Eine wilde Jagd geht los. Schlussendlich kann sich Papa Haydn bei den Kindern vor dem gefrässigen Nager verstecken.
Als Zugabe gackerte nochmals „Die Henne“ mit ihrer Melodie ĂĽber die BĂĽhne. Am besten gefiel einem kleinen Mädchen die Maus, als diese umher rannte. Tatsächlich hat das kleine Tier mit seinem Witz fĂĽr grossen Wirbel und viel Spass gesorgt.
Wohler Anzeiger 23. November 2010
Klingende Bilder – farbige Musik
bos. Vergangenen Sonntagabend verwandelte sich die Katholische Kirche in einen Raum, in dem Musik und Bild auf grossartige Weise verschmolzen und sich auch ergänzten. Auf Einladung des Konzertfonds Wohlen waren zwei meisterhafte Künstler hier zu Gast.
Robert Metzger an der Orgel und Basil Hubatka mit der Trompete spielten Werke von Barock bis zur Moderne. Dazu wurden passende Bilder auf eine Leinwand im Altarraum projeziert.
Es fängt mit „Der Streit zwischen David und Goliath“ von Johann Kuhnau an. Die Bilder dazu sind von Malern aus Italien und der Niederlande. Orgel und Trompete beginnen gemeinsam. Die Orgel spielt in tiefer Lage, lieblich, fast versöhnlich. Interessante und zarte Melodien erinnern an Kirchenmusik. Die Trompete zeigt sich eher trotzig. Herzhafte, ja mutig sind ihre Einsätze. Doch beide Instrumente geben auch rhythmische Impulse. Herrlich trumpft der Orgelbass auf, wenn Goliath fällt. Dazu verkĂĽndet die Trompete den Sieg. Sie frohlockt und jubiliert. Viele Registerwechsel der Orgel laden zum Tanzen ein. Orchestrierung und Komposition passen zu den Bildern. Muskelstark steht Goliath da. Ein Bild in vielen Gelbtönen unterstreicht die Freude. Vor allem das Pochen und Trotzen der Feinde ist musikalisch gut umgesetzt. Auch die schnellen, fast zirpenden Tonwiederholungen verdeutlichen Angst und Zittern. Jedem ist klar: Hier musizieren zwei KĂĽnstler mit Weltklasseformat. Die Intonation ist lupenrein. Die Präzision in den Tempi ist haargenau. Der Registerwechsel der Orgel spannend und den Bildern angepasst. Die Trompete kann laut in den Raum schmettern und auch in zarten Tönen atmen. Da macht Zuhören einfach Freude.
Mit zwei Werken von Anthony Plog geht es ins 20. Jahrhundert. Dazu kommen Bilder von Edward Munch. Diese Musik weckt Neugier. Die Moderne tut sich auf. Verspielt beginnt die Orgel. Zart mischt sich die Trompete ein. Spannende Halbtonschritte vermitteln eine mitreissende Steigerung zu einem Fortissimo. Dann verschwinden Melodie und Töne ins schier Luftleere. Beeindruckend, unheimlich wie das Ticken einer Uhr ist das Ostinato. Alles passt zum Bild. Menschen in roten, schwarzen und weissen Kleidern stehen im Kontrast zu einer grünen Wiese. Im zweiten Bild sind eine Frau und der Tod mit schwarzen Strichen auf einem zart gelben Hintergrund gezeichnet. Die angetippten Orgelbässe tönen wie Trommelschläge. Zittrig und sehr hoch kommen Piccolotöne dazu und passen trefflich zum bestürzenden Bild von Frau und Tod.
Louis Vierne, ein Französischer Komponist, trumpft mit „Hymne au soleil“ auf. Das Bild dazu ist von Caspar Friedrich und zeigt eine Frau auf einem HĂĽgel stehend, die sich mit offenen Armen der aufgehenden Sonne zuwendet. Das Gelb am Himmel dominiert, in weichem Gegensatz dazu sind unzählige Brauntöne. Grossartig und voll Spannung orchestriert der Organist dieses Werk. Die Orgel braust auf, lockt das Schönste aus den tiefen Registern, verweilt in langen Tönen und gleitet ĂĽber zu Melodien. Die Erwartung der Sonne stellt er treffend dar. Mit dem Pedal dämpft er die Akkorde, welche die ersten Sonnenstrahlen ankĂĽnden. Sie zeigen jedoch nicht die Lichtexplosion, die entsteht, wenn die Sonne dann plötzlich voll da ist. Das ist Kunst. Das ist Ausdruck. Im StĂĽck „Étoile du soir“ ist im gezeigten Bild ĂĽberraschenderweise kein Stern, dafĂĽr eine endlose Weite und ein zarter Streifen Gelb am Abendhimmel. Organist und Trompeter lassen den Abendstern aufleuchten. Ruhig ist das Orgelmotiv, erinnert an ein Schlaflied, auch an Dank nach einem vollendeten Tag. Lange Töne vermitteln einen Hauch von Frieden. Beim Zuhören wird das Bild lebendig und mystisch zugleich.
Petr Eben verdeutlicht mit seinen zwei StĂĽcken das 20. Jahrhundert. „Okna“ heisst sein Werk, dazu passen Bilder von zwei Glasfenstern von Marc Chagall. Spannend, reichhaltig und modern ist diese Musik. Geheimnisvoll beginnt sie. Töne purzeln hinunter und steigen wieder hinauf. Schnelle Tonfolgen bringt die Orgel und vergisst dabei nie das rhythmische Element. Die Trompete mischt sich ein, spielt neckisch mit den warmen Basstönen der Orgel und steigert das Ganze zu einem wunderschönen Piano. Da bekommen die Farben der Glasfenster zusätzliche Leuchtkraft.
Es folgt „Bilder einer Ausstellung“ von M. Mussorgsky. Die Bilder sind von Victor Hartmann, eines jedoch von Picasso. Die Musik ist bekannt, doch immer wieder voller ĂĽberraschender Einfälle. Da tut sich schlichtweg eine Musikorgie auf. Da sind Faszination und Genie. Ăśberzeugend bläst die Trompete ihre Melodie, steigert sich kunstvoll in die Höhe. Beruhigend begleitet die Orgel. Dieses Anfangsmotiv tönt immer wieder vor jedem neuen Bild. Richtig spannend wird es beim „Gnomus“. Da sind schmetternde Trompetentöne, bodenständige Orgeleinsätze, Pausen, Harmonien und Disharmonien, Halbtonschritte und alles wundervoll arrangiert. „Das alte Schloss“ auf dem Bild ist nicht alt, sondern wird durch die Musik lebendig und golden. Die langen getragenen Trompetentöne gehen unter die Haut, laden ein zum Träumen. Russische Melancholie kommt auf. „Tuileries“ ist das Nächste. Gezänk und Streitgespräch der Kinder wird hörbar in der Musik. Kindliche Sticheleien sind auch lebhaft von Picasso aufs Bild gemalt. Da passt alles. Das folgende Bild zeigt zwei alte Männergesichter von Hartmann. Im Gegensatz dazu ist die Musik lebhaft, ja voll Schalk. Grossartig ist das Zusammenspiel von Orgel und Trompete. Schon die Einleitung zu „Das grosse Tor von Kiev“ weist auf ein Bild in Goldtönen hin. So zeigt es sich. Das Tor ist auch einladend, stark und gleichzeitig filligran wie stellenweise die Musik. Kräftig wie das GlockengestĂĽhl sind die Orgeleinsätze. Lustige, freche Melodien bringen Kurzweil. Der Offbeat der Orgel untermalt das Glockengeläut und lädt ein zum Gottesdienst. Und die Trompete darf einfach strahlen.
Nebst dem Applaus waren Bravorufe aus dem Publikum hörbar. Sie waren verdient. Ein unvergessliches Musikerlebnis ging viel zu schnell zu Ende.
Wohler Anzeiger 19. Oktober 2010
Liebeslieder
bos. Gross war die Erwartung des Publikums, denn der Fricktaler Kammerchor unter der Leitung von Urs Stäuble und zwei bekannte Pianisten waren vom Konzertfonds Wohlen eingeladen. Das Rondell der Kanti Wohlen war fast voll. Und grossartig war der Musikgenuss.
LĂĽpfig und tänzerisch machen „Ländler“ von Franz Schubert den Anfang. Die beiden Pianisten Karl-Andreas Kolly und Oliver Schnyder spielen sie meisterhaft und frisch. Zart, ja schmeichelhaft kommt die Tanzmusik daher. Herrlich sind die Pianos und Forti heraus gearbeitet. Leichte Verzögerungen im Tempo bringen Spannung und Witz, erinnern an Wiener Walzer. Markante Akkorde wechseln schnell mit lieblichen Motiven. Die beiden Pianisten spielen voll Konzentration und mit Spielfreude. Sie lassen sich gegenseitig den nötigen Spielraum, so dass sich ein luftiges, durchsichtiges musikalisches Gewebe entfalten kann. Dann beginnen die Männerstimmen die „Liebeslieder“ von Johannes Brahms. Sicher bereiten sie den Frauenstimmen die musikalische BĂĽhne vor. Glasklar intonierend nehmen diese die Motive der Männer auf, bereichern sie mit neuen Elementen, vor allem im Sopran. Trotz gleichem rhythmischem Grundmuster, dem Dreiertakt, sind die Lieder abwechslungsreich und dynamisch gestaltet. So wechseln schön gespannte Pianos mit zupackenden Forti. Manchmal singen nur die Männer, dann nur die Frauen, gefolgt von schwärmerischer Zwiesprache. Das Lied „Ein kleiner, hĂĽbscher Vogel“ dĂĽrfte viel länger dauern, zeigt es beeindruckend das Zusammenspiel von Dirigent und Chor. Beide verschmelzen im Ausdruck zu einer Einheit. Die tänzerischen Bewegungen des Dirigenten nimmt der Chor sofort auf. Grossartig geht dieses Tanzen in der musikalischen Gestaltung durch den Chor weiter. Da springen die kleinsten Funken vom Dirigenten zum Chor, werden augenblicklich aufgenommen und lassen ein Feuer von Musikgenuss auflodern. Und gleichzeitig geht ein wohltuendes Atmen durch den Chor. Herrlich, wie sich plötzlich ruhige Motive einschleichen. Kämpferisch ist das Fortissimo im Lied vom Schlosser, dann folgt ein einschmeichelndes Piano im nächsten Lied, in dem auch melancholische Motive in den Männerstimmen durchklingen. Dass der Gesang der Nachtigall beschworen wird, bringt zusätzlichen Glanz. Doch da sind auch die Pianisten, welche fantastisch begleiten und mit ĂĽbermĂĽtigen, hellen Tönen noch andere LiebesgefĂĽhle anstimmen. Zu Herzen geht ihre Einleitung zum letzten Lied. Sie gleicht einem Säuseln des Windes und lässt GefĂĽhle sanft erbeben. Und alle verstehen sie.
Nach der Pause ist die „Fantasie f –moll“ von Franz Schubert an der Reihe. Was hier die beiden Pianisten darbieten ist eine Sternstunde. Eine neue musikalische Intensität kommt dazu. Jeder Moment ist gestaltet. Es ist ein VergnĂĽgen, den beiden Pianisten zuzuhören und zuzusehen. Die Augen hören mit. Sie sehen meisterliches Spielen auf den schwarzen und weissen Tasten. Das Ganze ist gepaart mit einer begnadeten Begabung im musikalischen Ausdruck. Der Wechsel von Piano zu Forte passiert blitzschnell und mit haargenauem Zusammenspiel. Das ist Kunst. Die Fantasie von Schubert lässt innere Bilder auftauchen. Die Musik gleicht einem Wasserspiel. Die Töne spritzen leicht wie Wassertropfen bei einem Springbrunnen hoch, gurgeln um Steine, stĂĽrzen in Forti ĂĽber Felswände, spielen verzĂĽckt mit Libellen und ruhen sich aus in grossen Mäandern. Ein wiederkehrendes Thema, inzwischen schon vertraut, bringt immer wieder Ruhe in das grosse Strömen. Und ĂĽberrascht da das Wasser nicht ein Liebespaar am Flussufer, trägt dessen LiebesgeflĂĽster weiter? Fröhlich fliesst die Musik, nimmermĂĽde ihren Weg suchend. Witzige Verlangsamungen und Pausen lassen die Wassertropfen in allen Regenbogenfarben aufleuchten. Die beiden KĂĽnstler zaubern mit ihren Händen das Sonnenlicht in diese Musik. Doch im Publikum ist es mucksmäuschenstill. Die Luft hält fast den Atem an. Da hat nur noch Staunen Platz.
Es folgen „Neue Liebeslieder“ von Johannes Brahms, wiederum begleitet mit Klavier zu vier Händen. Fast andächtig betreten die Sängerinnen und Sänger die BĂĽhne. Alle scheinen noch in Schuberts Fantasiewelt versunken. Doch lauthals geht es gleich zur Sache. Mit Liebesbeschwörungen darf nicht gezaudert werden. Dramatisch sind sowohl der Text wie die Musik. Brahms schöpft mit Dynamik, chromatischen Tonfolgen und satten Akkorden aus dem Vollen. Wohltuend beruhigend gestaltet er den Text von den weichen Gräsern. Sie wiegen sich im Wind, erzittern beim leisesten Hauch. Schnell ist das Lied „Flammenauge, dunkles Haar“. Mädchen und Burschen tanzen in der ungarischen Steppe zu feuriger Musik und flĂĽstern einander geheimnisvoll Liebesworte zu. Der homogene Chorklang ĂĽberzeugt nochmals. Ein langer Schlussakkord im Chor bringt den Zuhörer sanft in die Wirklichkeit zurĂĽck.
Der Applaus wollte nicht enden. Die Zugabe schien dem Publikum zu kurz zu sein, doch „die Musen hatten scheinbar genug“. Die Freude an dieser romantischen Musik und den Musikern war jedoch vollends geweckt.
Wohler Anzeiger 31. August 2010
Matinee im Isler ParkÂ
bos. Die Einladung des Konzertfonds Wohlen zur Matinee stand unter drei ganz besonderen Zeichen. Der Ort, nämlich der Isler Park, war zuerst mal etwas ganz Besonderes. Allerdings musste er wegen des schlechten Wetters ins Haus verlegt werden, was dem Anlass wiederum einen speziellen Charakter gab. Dann freute sich der Ehrengast Heidi Widmer offensichtlich ganz besonders an diesem musikalischen Geschenk, denn eine ganz besondere Musikgruppe, nämlich das Aargauer Bläserquintett, spielte auf. Kurt Meier, Flöte, Robert Mössinger, Oboe, Urs Gloor, Klarinette, Thomas Zimmermann, Horn und Robert Wernli mit dem Fagott spielten so schön und stimmungsvoll, wie Musiker das für einen besonderen Gast tun. Viele Zuhörer kamen. Der Raum hatte nicht genug Platz, und so füllte sich mit der Zeit das Haus mit den zahlreichen Gästen.
Wer etwas frĂĽher kam, hörte es schon vielversprechend durch die verschiedenen Räume und Treppenaufgänge des Hauses tönen. Neugierde und Erwartungen wuchsen. Und da war „La Cambiale di Matrimonio“ von G. Rossini genau das Richtige. Langsam und gleichzeitig auch witzig kommt diese Sinfonia daher. Im Gegensatz zu den ruhigen Motiven des Horns spielt die Klarinette äusserst lebhaft. Neckisch verspielt ist die Flöte, daneben ĂĽberrascht die Oboe mit Kurzweil. Wohltuend verankert gibt sich das Fagott und setzt herrlich tiefe Farbtupfer. Passend dazu blinzeln die dunklen, breiten Nadeln des Ginkobaumes im Park durchs Fenster. Der Schluss ist voll Schalk. Da der eigentliche Schlussakkord fehlt, blinzelt er nur kurz scheinheilig um die Ecke. Das folgende Quintett von Peter MĂĽller beginnt verträumt. Da ist ein kurzes Duett zwischen Horn und Klarinette, doch bald mischt sich frech die Oboe ein. Das Fagott mit den tiefsten Registern und die Flöte mit den höchsten Tönen wollen nicht nachstehen. Wie ein Ballspiel wird das Thema weitergereicht. Das anfängliche Zwiegespräch verdichtet sich zu einem interessanten Geplauder. Ein Instrument nach dem anderen, im flotten Wechsel, ĂĽbernimmt dabei die FĂĽhrung. Im folgenden Larghetto vergessen die fĂĽnf Instrumente ihr harmonisches Geplauder und sie beginnen zu singen. Melodien, die an die Klassik erinnern, werden auf betörende Weise dargeboten. Im Allegro molto lacht und jubiliert vor allem die Oboe. Dass dabei die anderen Vier miteifern mĂĽssen, liegt auf der Hand. Draussen im Park sind es rote und weisse „Wasserlieschen“, die um das schönste BlĂĽhen wetteifern.
Die „Lavottiana“ von Ferenc Farkas verarbeitet Elemente des ungarischen Barock. Kurz treten die verschiedenen Instrumente solistisch auf, daneben marschiert eine interessante, rhythmische Begleitung. Geheimnisvolle, fast archaische Klänge bringt das Menuett. Spannungsvoll und kraftvoll sind die Motive. Wunderschöne Beschleunigungen und Verlangsamungen geben Tempo. Da mĂĽssen sich einfach fĂĽr einen Augenblick ein paar schĂĽchterne Sonnenstrahlen hinter den Fensterscheiben zeigen! Fröhlich wie eine nimmermĂĽde Maschine kommt eine deutsche Tanzweise daher. Einzelne Instrumente ĂĽberborden fast vor Lust mit ĂĽbersprudelnden Aufspritzern. Zum Schluss finden sich alle in einem tiefen Ruheton. In dieser Ruhe macht sogar der kleine Teich draussen im Garten mit. Das Rondo „Im Wirtshaus“ macht seinem Namen alle Ehre. Die Stimmungen wechseln, das Tempo ist schnell. Virtuos spielt das Horn. Da fällt es schwer, die FĂĽsse ruhig zu halten. Um so mehr tauchen bunte, wirbelnde Mädchenröcke und sich drehende Tanzschuhe auf. Mit dem StĂĽck „The Lone Ar-ranger!“ von Philipp R. Buttal wird auf lustige Art der Bogen zum Anfang geschlagen. Wie ein Puzzle erklingen verschiedene bekannte Melodien. Als erstes lässt die OuvertĂĽre zu „Wilhelm Tell“ von G. Rossini grĂĽssen. Diese OuvertĂĽre ist wie ein Förderband, lässt sich auf verschiedenste Arten variieren. Schottische Weisen ertönen, leiten ĂĽber zu ungarischen Tänzen von J. Brahms. Und zum Schluss wird nochmals lustvoll die Wilhelm Tell OuvertĂĽre aufs Köstlichste dargeboten. Bestechend sind dabei stets die rhythmische Präzision und das genaue Zusammenspiel der Musiker. Da macht Zuhören einfach Spass.
Das Publikum war begeistert und applaudierte herzlich. Heidi Widmer dankte den Musikern persönlich fĂĽr diesen musikalischen Genuss. Zwei Zugaben wurden angesagt. Zuerst war es eine fĂĽr Schönwetter, nämlich die Komposition „Avec Plaisir“ von Helga Warner. ĂśbermĂĽtig und voll Sommerfrische war diese Musik, pfiffig und burlesk. Da liessen auch die Rosen im Garten kurz grĂĽssen und wollten bewundert werden. Die Zugabe fĂĽr Schlechtwetter war aus der „Wassermusik“ von G. F. Händel. Diese war kurzweilig fĂĽr Bläser arrangiert und sollte ein Fingerzeig an Petrus sein. Besonders herrlich waren die Crescendi in den Tonwiederholungen. Nach so viel musikalischem Feuer war es nicht nur im Haus, sondern auch in den Herzen der Zuhörer warm geworden.
Wohler Anzeiger 22. Juni 2010
Zaubernächte
bos. Auf Einladung des Konzertfonds Wohlen kam das Aargauer Symphonie Orchester nach Wohlen, spielte und verzauberte. Dem Programm „Zaubernächte“ wurden die KĂĽnstlerinnen und KĂĽnstler unter der Leitung von Douglas Bostock mehr als gerecht.
„Der Zauberlehrling“ von Paul Dukas macht den Anfang. Es ist die Vertonung des gleichnamigen Gedichtes von J. W. Goethe. Ein Zauberlehrling nutzt die Gunst der Stunde, als der „alte Hexenmeister“ kurz ausser Haus ist und zaubert in eigener Regie. Mit wenigen Elementen, clever arrangiert, zusammengefĂĽgt und aufgebaut, ergibt sich ein zauberhaftes Ganzes. Leise, geheimnisvoll, ja fast zaghaft beginnt die Flöte. Doch schnell folgen unheimliche Akkorde der Streicher. Gehversuche des Besens gelingen mit lĂĽpfiger Melodie. Da wallt der Besen, da schwellen die Wassermassen. Freche Einsprenkel von Streichern und Bläsern untermalen das Wagnis. Gekonnt komponierte Pausen wecken Spannung. Dazu lässt das unerbittliche Ticken der Harfe das Unheil erahnen. Die Melodie des Fagotts drängt zur Eile. Wiederkehrende Triolen geben zusätzlichen Drive. Geordnet trottet der Besen zum Rhythmus der Pauke und daneben steigern sich Disharmonien in herrlichen Crescendi zu Not und Entsetzen. Die tiefen Bläser rufen um Hilfe und die hohen Bläser schreien. „Denn die Geister, die ich rief, wird ich nicht mehr los.“ Eine wahre Entfesselung der Geisterkräfte bahnt sich an, begleitet von einem unbarmherzigen Ostinato. Das Zauberwort des Meisters bringt die Erlösung. Eine Pause und dann lange Töne der Streicher fĂĽhren zu einem kurzen, fulminanten, ja fast versöhnlichen Schluss. Hier wird jedem klar, wie geschickt der Dirigent Douglas Bostock Regie fĂĽhrt. Mit Charme, ja fast Humor, hat er die Zauberfäden stets in Händen. Er lässt sie spielen, experimentieren, aufbegehren, toben, triumphieren, schreien, heulen und lachen. Er ist der grosse Zaubermeister.
Es folgen „Les Nuits d’EtĂ©“ von Hector Berlioz. Freudestrahlend wie der Sommer höchst persönlich betritt die Mezzosopranistin Judith Schmid die BĂĽhne. Bestimmt, markig und doch sehr geschmeidig in der Tongebung beginnt sie das erste Lied. Sie singt mit Augen und Seele. Ihre Stimme gleicht einer dunklen Perle. Je nach Orchesterbegleitung und Melodie ändert sie subtil ihre Tonsprache. Sanft spiegeln sich Regenbogenfarben, Licht und Dämmerung, Wärme und Zartheit, doch auch Kraft und Dynamik. Sie lässt ihre Stimme von lieblichen Flötentönen liebkosen. Sie liebäugelt mit Melodien der Streicher, lässt sich von den tiefen Bläsern einlullen und trotzt bestimmt und aufbegehrend den kurzen Einsätzen der hohen Bläser. Die Lieder sind vorwiegend in Moll. Herrlich, wenn mal eine Melodie in Dur aufleuchtet. Das Werk hat fĂĽr Berlioz einen ĂĽberraschend intimen Charakter. Die Streicher geben Glanz, die Bläser Tiefe. Ruhe und KĂĽhle einer Sommernacht breiten sich aus. Wohltuend einschmeichelnd sind die kurzen Einsätze von Flöte, Klarinette und Fagott. Wie Sternschnuppen durchkreuzen sie den dunklen Klangteppich der Geigen. Das ist der Zauber der Romantik. Wohlklang, liebliche Melodien, schmerzliche Reibungen, Pianos und Forti, wunderschön herausgearbeitete Crescendi und Decrescendi in einem wunderbaren Mix!
Mit einem wuchtigen Auftakt der Tuba beginnt die OuvertĂĽre zur Oper „Merlin“ von Carl Goldmark. Schwer, schicksalhaft, auch unheimlich breitet sich der Klangboden aus. Erinnerungen an „Tristan und Isolde“ steigen auf. Mit der geheimnisvollen Ruhe der tiefen Bläser und Streicher ist es jedoch bald vorbei. Frech bringt die Oboe eine neue Melodie. Querflöte und Klarinette bringen auf kecke Art neue Gestaltungselemente. Dazu steigern sich die Streicher zu einem Fest von Reibungen. Ein grosser Fluss und ein dichter Klang ziehen dauernd unruhig umher. Doch wie von Zauberhand gefĂĽhrt kehrt immer wieder eine gespannte Ruhe ein.
Im letzten Werk kommen die Bläser mit einem krächzenden Hahnenschrei gleich zur Sache. Schliesslich legt sich in der Suite „Der goldene Hahn“ von Nikolai Rimski-Korsakow der Hahn mit dem Zaren an. Witzig zeigt sich die Klarinette. Ăśberraschende Melodien purzeln eigenwillig nach unten. Da scheppert es, da wird auch mal gejammert. Doch sofort beginnen die Streicher wieder zu singen. Wecksignale der Trompete, lustvolles Wechselspiel von Klarinetten und Oboen bringen Farbe. Dazu betört die Harfe mit ihrem Klangzauber. Katzenhaft geschmeidige Melodien wecken Neugier. Dieser Gockel hat es in sich, ist ein musikalisches Talent. Er versteht es, kurz zum Tanzen einzuladen und anschliessend stolziert er zum Klang der Geigen davon. Er muss zum Zaren. Sparsam, doch gezielt ist die Pauke eingesetzt, wie Salz und Pfeffer an einem saftigen Braten. Doch nicht der Hahn schmort im Ofen! Ein kleines Klangwunder sind die Wirbel des Beckens. Abwechslungsreich und voller Gegensätze ist diese Suite. Da entfaltet sich ein ganz spezieller, zauberhafter Klangteppich mit hohen, flirrenden Geigentönen und gleichzeitig gurrenden Tönen in den tiefen Holzbläsern. Daneben begleiten fast archaische Rhythmen. Ein herrliches Crescendo leitet ĂĽber zu einem kurzen, heftigen Schlussforte, welches wie von Zauberhand gefĂĽhrt ins Leere fällt.
Der Applaus des Publikums wollte nicht enden. Alle waren vom musikalischen Hochgenuss verzaubert. Sogar die kalte Mainacht liess sich dadurch etwas erwärmen.
Wohler Anzeiger 18. Mai 2010
Primavera Italiana
bos. Die Einladung des Konzertfonds Wohlen zum ersten Konzert dieses Jahres war schlichtweg eine Entführung. Es lag nicht am verführerischen Kaffeeduft im Café Widmer, auch nicht an den zart schmelzenden Versuchungen auf den Tellern. Es lag an vier jungen Damen, die mit ihrer Musik die zahlreichen Gäste verzauberten.
„Le donne virtuose“ spielten Salonmusik zu Kaffee und Kuchen. Und wie sie spielten! Sie wurden ihrem Namen mehr als gerecht. Virtuos, mit Charme, Witz, Spielfreude und grossem musikalischem Talent eroberten sie die Herzen des Publikums. Fränzi Frick und Caterina Klemm, Violinen, Nicole Hitz, Bratsche und Eva-Maria Burkard, Cello, zelebrierten grossartig ihr Zusammenspiel und lockten mit dem Programm „Primavera Italiana“ nach SĂĽden. Fränzi Frick erläuterte mit kurzen Ansagen.
Den Auftakt macht ein Quartett von W. A. Mozart. Auftaktig, wie es sich gehört. Die Inspiration zu diesem Werk hatte der 12-jährige Mozart auf einer Konzertreise nach Italien. Verspielt und mit jugendlicher UnbekĂĽmmertheit beginnt das Allegro. Frisch und tänzerisch ist das Solo der ersten Geige. Dezent und doch verschmitzt begleitet das Cello. Zusammen mit der Bratsche gibt sie den Geigen in ihrer Luftigkeit den nötigen Bodenkontakt. Ruhiger, fast schon gebändigt, ist das folgende Adagio. Träumerisch und voll Sehnsucht sind die Motive. Lange, getragene Töne werden von quirligen EinschĂĽben unterbrochen. Hier ist das Cello mehr als Begleitung, fĂĽhrt es doch zwischendurch ganz frech ein Eigenleben. Geschickt eingebaute Beschleunigungen und Verlangsamungen bringen Spannung. Das ist Musizieren auf höchstem Niveau. Mit Blickkontakt und Körpersprache gelingen kleinste Veränderungen im Tempo. Dabei ist das Zusammenspiel stets punktgenau und die Intonation bleibt lupenrein. Im Dreivierteltakt und tänzerisch kommt das Minuetto daher. Herrliche Pianos wechseln mit Forti, liebliche Melodiebögen mit schwermĂĽtigen Motiven. Doch das Rondo lädt vollends zum Tanzen ein und Stillsitzen fällt schwer. Die Mattinata von R. Leoncavallo beginnt mit orientalischem Timbre. Die tiefe Lage im Cello beschwört eine geheimnisvolle Stimmung herauf. Dazu singen die Violinen in sehr hohen Tönen. Wie Goldfäden tauchen aus dem Meer der Nacht die Sonnenstrahlen auf. Einen Abstecher in die Opernwelt machen zauberhafte, kleine Menuetti von G. Puccini. Hinter den eindringlichen Melodien der Geigen lässt sich der grosse Opernkomponist erahnen. In kaum hörbarem Piano flĂĽstern die Geigen. Gut, dass Bratsche und Cello Boden geben. Dann geht die EntfĂĽhrung kurz nach New York. „Bugati step“ wurde von einem tschechischen Komponisten in den 30-er Jahren komponiert. Schräge Töne und amerikanischer Drive sind nicht nur auf den Autostrassen in wuchtig gebauten Autocarossen. Nein, im kleinen CafĂ© tanzt das Cello zur beschleunigenden Fahrweise der Geigen. Ragtime liegt in der Luft!
Typische Kaffeemusik erklingt nach der Pause. Ein „Cafetino“ im Freien! Das kleine Werk ist zart schwelgend, aufbegehrend und mit witzigen Ăśberraschungen gespickt. Ein Abstecher in die italienische Filmmusik bringt ItalianitĂ von der schmeichelhaften Seite. Melancholisch in Bratsche und Cello, sonnig warm in den Violinen. Im Programm darf N. Paganini nicht fehlen. Erdenschwere zeigt das Cello, federleicht ist das Largo der Geigen. Dann wechseln innig verträumte Motive des Cellos mit schnellen Läufen der ersten Geige. Meisterhaft sind sie gespielt, auch in den Pianos glasklar intoniert. In dieser Musik zeigt sich die Bratsche wunderschön als Bindeglied zwischen dem tiefen Cello und den hohen Violinen. Im Andante con Variazioni kann jedes Instrument mal solostisch auftreten. Die Bratsche lacht dabei ĂĽber das ganze Gesicht, das Cello spielt vortrefflich seine Läufe und die Geigen singen. Finger und Bogen tanzen ĂĽber die Saiten. Da wird jedem warm ums Herz und da schmilzt das Vanille-Eis auf Nachbars Teller. Feurig kommt die „Tarantella“ daher. Der Volksmund sagt, wer von einer Tarantell gebissen wird, tanzt anschliessend so schnell, dass alles Gift dabei heraus geschwitzt wird. Tatsächlich, da ĂĽberraschen Temposteigerungen und explosionsartig wechseln die Ideen. Bratsche und Cello werden nicht mĂĽde, die beiden Violinen virtuos voranzutreiben.
Mit einem begeisterten Applaus dankte das Publikum. Als Zugabe folgte Filmmusik von Henry Mancini. Es war eine Entführung in die Unterwelt. Die tiefen Streicher jagten durch die Nacht. Wieselflink versuchten die Violinen der Verfolgung zu entgehen. Und alle, Künstlerinnen und Gäste, genossen diesen turbulenten Abstecher in einen besonderen Genre.
Wohler Anzeiger, 9. März 2010
Tino Flautino, ein Musikmärchen
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Um das zu verstehen, musste man am Sonntagmorgen im Rondell der Kanti Wohlen gewesen sein, wo im Rahmen der Veranstaltungen des Konzertfonds Wohlen das musikalische Kindermärchen Tino Flautino gezeigt wurde.
Tino ist ein junger König, der viel lieber auf seiner Flöte spielt als regiert. Deshalb ĂĽberlässt er das Regieren seiner Frau und zieht los, um gegen ein Ungeheuer zu kämpfen, das alle Musikinstrumente und Klänge verschlingt. Ein kleiner Vogel mit wunderschönem Gesang ist sein FĂĽhrer ins Klingklang-land, wo alles auf dem Kopf steht – auch die Sprache. Womit der Titel erklärt wäre. Keine Frage, dass Tino und der Vogel mit Musik und Gesang das Ungeheuer besiegen und den Bewohnern Klänge und Instrumente wieder zurĂĽckbringen. „Eknad! Eknad!“ jubeln sie.
Judith Steiner ist eine begabte Geschichtenschreiberin und wandelbare Erzählerin; mal leichtfĂĽssig, mal drohend, mal lispelnd zieht sie Kinder und Erwachsene gleichermassen in ihren Bann. Begeistert haben ihr die kleinen Zuhörer bei den „Ăśbersetzungen“ geholfen. Was Maurice Steger seinen Blockflöten entlockte, war auch Zaubermusik – absolut virtuos; nicht von ungefähr gehört er zu den weltbesten Blockflötenspielern. Der Dritte im Bund ist Rodolphe Schacher, Komponist und Pianist. Er begleitete Flöte und Erzählung harmonisch und leicht.
Schön, dass der Konzertfonds in seinem vielfältigen Programm auch für Kinder Hochstehendes auf die Bühne bringt. Nur ein kleiner Junge hat etwas vermisst: Er hätte so gerne das Ungeheuer sehen wollen!
26. Oktober 2009 A.S.
Von Haydn bis Hollywood
bos. Der Konzertfonds Wohlen lud im Rondell Kanti zu einem musikalischen Leckerbissen ein. Sabina BĂĽrger spielte Querflöte, Alois BĂĽrger Klavier. Wenn das Konzertprogramm von „Haydn bis Hollywood“ heisst, kann sich jeder von Vielfalt und Spannung ĂĽberraschen lassen. Wenn das Ehepaar BĂĽrger das Konzert auffĂĽhrt, ist ein musikalischer Hörgenuss auf sehr hohem Niveau Gewissheit.
Eine Sonate von Joseph Haydn macht den Auftakt. Frisch und in vertrauten Harmonien kommt sie daher. Oft hat das Klavier die Melodie und die Flöte bereichert mit neckischen Einfällen. Einerseits sind die Flötenmotive hoch und hell, andererseits überraschen sie mit tiefen Lagen. Doch stets sind sie luftig und durchlässig. Im Adagio kommen interessante rhythmische Elemente im Klavier dazu. Dann folgen ruhige Passagen. Es ist Musik, die atmet, die lebt. Das Finale beginnt witzig und schnell. Off-beat bringt etwas Hüpfendes, dazwischen purzeln quirlige Flötentöne. Klavier und Flöte spielen eine kleine Fuge. Dabei überrascht die Flöte mit einem furiosen Schluss.
Die folgenden Werke hat Alois BĂĽrger fĂĽr Klavier und Querflöte neu arrangiert. Kurzweilig, mit Sinn fĂĽr Humor und Ernsthaftigkeit kommt diese Musik daher. „Lieder ohne Worte“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy sprechen eine wunderschöne musikalische Sprache. Die Flöte beginnt zu singen, mit Körper und Seele. Wie bunte Girlanden schweben die Flötenmotive in der Luft. Das Klavier legt den Boden, ja den roten Teppich fĂĽr diese lieblichen Melodien. Doch zwischendurch ĂĽbernimmt auch das Klavier die FĂĽhrung mit deutlich rhythmischen Komponenten. Kernig und sehr dynamisch im Wechsel von Piano und Forte zeigt es sich. Dann wiederum kommt die Klaviermusik wie ein fliessender Strom daher und die Flöte bereichert mit leichten, neckischen Aufspritzern. Da macht das Zuhören Spass.
Nach der Pause entfĂĽhrt das Ehepaar in die Filmwelt. Filmmusik aus Harry Potter von John Williams macht den Anfang. Da ertönt nicht nur eine andere Zeit, sondern auch ein neuer Genre. Eindringliche Motive wechseln mit lieblichen Legatos. Sie sind stets verspielt. Dies kommt vor allem in den verschiedenen rhythmischen Elementen zum Ausdruck. Geschickt ist off-beat eingesetzt. Plötzlich tauchen Reibungen in der Harmonie auf. Ein jugendlicher Elan und jugendliche Frische fehlen nie. Nebst dem Geheimnisvollen, fast Unheimlichen in dieser Musik ist stets eine Verankerung in der Realität da. Bei der Filmmusik zu „E.T.“ wird der FlĂĽgeldeckel hochgestellt. Klagend beginnt die Flöte in „Over the moon“, das Klavier antwortet mit Motiven des Trostes. Ruhig, fast meditativ ist die Stimmung. Sehnsuchtsvolle Rufe schickt die Flöte zum Mond. Im Gegensatz dazu ĂĽbersprudelt das Klavier von unzählig neuen Ideen. Eher gespenstisch ist das letzte StĂĽck, geht es doch um „Halloween“. Da wetteifern zwei Instrumente um die Gunst der nächtlichen Geister. Die hellen, hohen Flötentöne erobern immer wieder die Dominanz im Klangkörper zurĂĽck. Das Klavier ĂĽbernimmt bescheiden, doch sehr bestimmt die Bodenhaftung. Die huschenden Kobolde der Flöte dĂĽrfen nicht entwischen.
Bei Sabina Bürgers Musik sind Körper und Flötentöne eine Einheit. Daraus sprudelt Freude am Musizieren. Alois Bürger spielt nicht nur mit den Fingern. Er spielt von Kopf bis Fuss. In seinem Spiel sind Verspieltheit, Konzentration und Lebendigkeit. Eine gewisse Verschmitztheit kann er dabei nicht verbergen. Jedermann sieht und hört es: die beiden sind ein gut eingespieltes Team.
Die vielen Zuhörerinnen und Zuhörer dankten mit einem herzlichen Applaus. Bei so viel Begeisterung lag eine Zugabe drin. Ein liebliches StĂĽck aus „Star Wars“ von John Williams wurde allen wie ein ZĂĽckerli mit nach Hause gegeben.
Wohler Anzeiger, 15. September 2009
Salonmusik
Trio Artemis zu Gast im Café Widmer
bos. Wenn die Konzertkasse auf einem Bistrotischchen ist, zeigt das einen besonderen Ort an. Wenn noch ungezwungen von drei jungen Damen ein paar lüpfige Takte geprobt werden, weiss jeder, ein besonderes Programm ist angesagt. Der Konzertfonds Wohlen hat zu Salonmusik ins Café Widmer eingeladen.
Das Trio Artemis spielt auf. Es sind Katja Hess, Violine, Bettina Macher, Violoncello, und Felicitas Strack am Klavier. Und wie sie spielen! Mit Charme, Witz und schier ĂĽberbordender Freude wird auf sehr hohem Niveau musiziert. Während des Auftischens der letzten KuchenstĂĽcke entfĂĽhrt das Trio an diesem heissen Sommernachmittag die Zuhörerinnen und Zuhörer sehr schnell in noch wärmere Regionen. Nach ein paar Takten des „Ungarischen Tanzes Nr.5“ von J. Brahms wähnt sich das Publikum ganz schnell in der heissen Ebene Ungarns. Dynamisch wird der Tanz dargeboten. Wehklagende Streichermelodien wechseln mit fröhlichen, tänzerischen Takten. Nicht minder temperamentvoll wird das Trio „all‘ ongarese“ von J.Haydn vorgetragen. Ăśber der ungarischen Pussta ertönt Tanzmusik, lädt Jung und Alt zum Ringelreihen ein. Die wunderbar gespielte Serenade von F. Schubert lässt ausruhen. Dann entfĂĽhrt der Marsch „Alla Turca“ von W. A. Mozart in den vorderen Orient. Aufdringlich sind seine Rhythmen und sein Lockruf zu den Geheimnissen dieser Landschaft und Menschen. Da wird es im CafĂ© ganz still. Fast andächtig und etwas verstohlen wird dabei in den Glacebechern gelöffelt. Niemand will den Zauber stören. Mit einem Wiegenlied von G. FaurĂ© und einer Pavane von M. Ravel gibt es einen Abstecher nach Frankreich. Eine andere musikalische Epoche und Mentalität wird vorgetragen. Schwelgen in Stimmungen und französische Leichtigkeit kommen leichtfĂĽssig daher. Sanft perlen die Klaviertöne in den getragenen Klang der Streicher. Der Kontrast könnte nicht grösser sein, als die ersten Takte des „Can Can“ von J. Offenbach ertönen. Frech, mitreissend und in rasantem Tempo wird er mit französischem Charme von den drei Damen gespielt. Vor Begeisterung hat mancher Fuss unter den Tischen mitgewippt. Ruhig sitzen bleiben fällt schwer. Bekannte Melodien aus drei Musicals ertönen. Spannend wie das Klavier kurz einen anderen Rhythmus anschlägt, um dann wieder ganz selbstverständlich mit dem Takt der Streicher einig zu gehen.
Mit Tanzrhythmen aus der Filmwelt geht es nach der Pause weiter. „Zorbas Dance“ von M. Theodorakis wird mit Ăśbermut und Spass an Verspieltheit dargeboten. Verschmitzte Erotik blinzelt ins CafĂ©. Erinnerungen an den Film „Alexis Zorbas“ sind wach. Wer sieht den Kinohelden nicht tanzen, voll Energie, Lebenskraft und ĂĽbersprudelnden Ideen. Vor Staunen bleibt einem Herrn ein KrĂĽmel des Streuselkuchens fast gar im Halse stecken. „Gabriellas Lied“ aus dem schwedischen Film „As it is in heaven“ bringt eine Brise Sommerfrische in den Raum. Mit Herzblut wird eine ergreifende Melodie gespielt. Die Saiten der Streicher singen, das Klavier gibt sicher den Takt, mit tiefen Tönen auch Boden. Das Lara Thema aus dem Film „Doktor Schiwago“ lässt gespannt aufhorchen, an die weite Landschaft Russlands denken, Momente von Leidenschaft und Liebe heranzaubern. Wehklagend, schwermĂĽtig beginnt die Geige ein Thema aus „Czardas“ von V. Monti. Herrlich sind die sirrenden Streichertöne und Verlangsamungen, welche sich anschliessend zu Feuer und Tempo steigern. Zum Schluss laden drei Tangos aus Argentinien zum Tanzen ein. Vor allem die Bögen der Streicher tanzen hör- und sichtbar. Da tönt das Cello fast hölzern und lausbubenhaft spielt die Geige. Lebhaft untermalt das Klavier den musikalischen Spass.
Der Applaus ist herzlich. Draussen ist es noch schwüler geworden, im Café noch wärmer, auch in den Herzen. Die Spielfreude der drei Künstlerinnen hat alle begeistert.
Wohler Anzeiger, 23. Juni 2009
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Theaterzauber
bos. Am letzten Freitagabend war das Aargauer Symphonie Orchester auf Einladung des Konzertfonds Wohlen Gast im Casino Wohlen. Mutig hat der Dirigent Douglas Bostock die Musiker, die normalerweise bei Opern und Balletten im Orchestergraben musizieren, auf die Bühne geholt. Das Orchester hat sich aufs Schönste selbst inszeniert.
Die OuvertĂĽre aus „Die verkaufte Braut“ von Bedrich Smetana machte den Auftakt. Temperamentvoll kommt die Musik daher, hin und wieder an die Symphonie „Die Moldau“ erinnernd. Die Geigen, fein sirrend, steigern sich mit dem Kontrabass und den Bläsern zu einem beeindruckenden Miteinander. Im Kontrast zu den schnellen Streichern setzen vereinzelte Bläser lieblich und doch markant ein kurzes Motiv. Ein schönes Holzbläsersolo weiss sich bei aller FĂĽlle immer wieder zu behaupten. Die Polka wird von Pauken und Cynellen fein untermalt. Doch das Ganze steigert sich zu einem fröhlichen Fest. Da wird getanzt, da wirbeln die Röcke der Mädchen und da stampfen und drehen sich die schwarzen Stiefel der Männer. Da ist Volksmusik, fröhlich und heiter.
Es folgt „La PĂ©ri“, ein getanztes Gedicht in Bildern von Paul Dukas. Es ist ein interessanter Wechsel in der Instrumentierung und Dynamik. Ein langer, ruhiger Geigenton macht den Anfang. Die Querflöte bewegt sich quirlig um die verhaltenen Melodie der Streicher. Das Englisch Horn setzt neue Akzente. Eine eigenartige Schwermut wird im Cello hörbar. Der Kontrabass gibt Boden. In dieser Musik ist immer wieder Luft und Licht zu Spiel und Einfall. Der Streicher steigern sich zu einem fast schwĂĽlstigen Forte und versinken darauf in einem Piano, das kaum hörbar von der Pauke begleitet ist. Wellenbewegungen durchströmen das ganze Werk. Dieses Auf und Ab, diese Crescendi und Decrescendi hat der Dirigent fast sichtbar mit seinen Musikern gestaltet. Die musikalischen Wellen wogen hin und her wie ein Kornfeld bei den ersten Böen eines aufkommenden Gewitters. Das wäre Filmmusik zu dramatischen Szenen, in denen Stimmungen und GefĂĽhle Achterbahn fahren. Liebliche Harmonien wechseln mit fast noch schöneren Disharmonien. Da ist Spannung, welche gegen den Schluss in eine wohltuende Wärme ĂĽbergeht. Die Hörner haben nun den langen, ruhigen, ja fast versöhnlichen Schlusston.
Sehr abwechslungsreich ist die Ballett-Suite „Sylvia“ von LĂ©o Delibes. Auch in diesem Werk sind französische Leichtigkeit und Durchsichtigkeit. Kurzweil ist angesagt. Die Instrumentierung ist vielfältig und gleichzeitig transparent. Da ist eine ĂĽberraschendes HĂĽpfen von Motiv zu Motiv. Streicher und Blasinstrumente folgen sich mit lĂĽpfigen Melodien. Galant ist eine Hornsolo eingestreut. Im StĂĽck „Festzug des Bacchus“ fehlen Pauken und Cynellen nicht, obwohl die Streicher den Takt angeben. Die Geigen sind ausladend, schwelgend, währendem Querflöten, Klarinetten und Oboen sich ganz dem Genuss von kecken Melodien und Verspieltheit hingeben. Schon fast berauschend ist eine rhythmische Verlangsamung herausgearbeitet. Und plötzlich setzen Pauke und Cynelle dem ganzen Spuk eine Ende. Da macht das Zuhören Spass.
Eine Suite aus der Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“ von Sergej Prokofjew bringt Genuss fĂĽr Ohr, Auge und Herz. Herausfordernd, schrill sind die ersten Takte. Doch die tiefen Streicher beruhigen und Triolen bringen rhythmische Impulse. Mehrschichtig ist dieses Werk. Es ist eine Mischung von Vertrautem und Neuem. VolkstĂĽmliche Motive wechseln mit ungewohnten Klängen. Da ertönen unzählige farbig Klangfäden, welche der Dirigent wie mit Zauberhand zusammenhält. Jedes Instrument steigert sich im Ganzen zu einer Eigeninszenierung, zu einem Solo, allen voran die Streicher. Und der Rhythmus lebt, drängt weiter, beruhigt und ĂĽberrascht mit neuen Ideen. Alle Farben des Orchesters leuchten auf. Sie erinnern an eine blĂĽhende Sommerwiese in der russische Tundra. Sie lassen Tausende von farbig schillernden Lybellen ĂĽber eine Wasserfläche schwirren. Ein blĂĽhender Rosengarten vor einer Daschka taucht auf. Da verwandelt sich ein grossartiges Orchester in eine musikalische Zauberwelt. Da werden Dirigent und Musiker eine harmonische Einheit auf hohem Niveau. Jugendliche Frische setzt ĂĽbermĂĽtige Akzente.
Der Raum des Casinos war für dieses hervorragend spielende Orchester fast zu klein, für die Zahl der Zuhörerinnen und Zuhörer fast zu gross. Doch der Schlussapplaus war herzlich und begeistert und die Blumen waren mehr als verdient.
Wohler Anzeiger, 22. Mai 2009
Musikalische Bilder
bos. Jung, fröhlich, fast schon ein bisschen ĂĽbermĂĽtig startete der Konzertfonds Wohlen seine neue Konzertreihe im Rondell der Kanti Wohlen. Mit jugendlicher Begeisterung und Freude fesselte das „Trio Fontane“ schon nach wenigen Takten Ohren und Herzen des Publikums.
Das Trio in C-Dur von Josef Haydn beginnt mit einem beschwingten, lüpfigen Auftakt. Das Piano gibt die Melodie vor, die Violine übernimmt das Motiv und das Cello untermalt samtig weich. Die Pianistin Andrea Wiesli spielt mit ihrem ganzen Körper, mit starker und zugleich zarter Mimik und mit viel Seele. Nicht nur Fröhlichkeit, auch Schalk blitzt aus ihren Augen. Wie kleine Wassertropfen perlen die Töne unter ihren Händen davon. Die Geigerin Noëlle Grüebler spielt ernsthafter, immer sehr farbig und kontrastreich. Gekonnt setzt sie helle Glanzpunkte in den musikalischen Fluss. Mit Leichtigkeit, ja fast Selbstverständlichkeit führt sie den Bogen über die Saiten. Der Violoncellist Jonas Kreienbühl legt mit Ruhe und Gelassenheit die tiefen Töne als Boden hin. Er versteht es meisterhaft, seinem bauchigen Instrument verschiedenste Tonhöhen zu entlocken. Das Schwelgen in der Tiefe kann er nicht verkneifen. Das ist Spielen, virtuos, luftig, leicht, mal auch mit etwas Erdenschwere untermalt. Eine junge Muse aus dem Hof von Esterhazy blinzelt da immer wieder frech zwischen den Melodien hindurch und hat hörbar diese drei jungen Menschen mit grossem Talent beschenkt.
Es folgen zwei StĂĽcke aus den „Vier Jahreszeiten“ des argentinischen Komponisten Astor Piazolla. Schon im „Winter“ erklingen neue, ungewohnte und doch liebliche Harmonien. Nicht nur die Streicher, auch das Klavier betritt hier ein neues Land. Wild, auch schwermĂĽtig zeigt sich diese Jahreszeit. Eine zu Herzen gehende Melodie des Violoncellos lässt aufhorchen. Die Geige ĂĽbernimmt das Motiv, spielt eigenwillig und etwas traurig ihren Part und ĂĽberzeugt mit einer klaren LinienfĂĽhrung. Lebhaftigkeit bringt das Klavier. Hoffen auf Aufbruch ist seine Botschaft. Der „FrĂĽhling“ lässt Wasser und Erde erwachen. Da brodelt und gluckert es unter der gefrorenen Oberfläche. Die drei Instrumente verhelfen dem neuen Leben zum Durchbruch, manchmal etwas verhalten, doch immer voll Sehnsucht. Da brilliert das Violoncello. Sonne- und wärmedurchlässig ertönt die Geige. Nichts kann das Erwachen in der Natur aufhalten, das bekräftigt das Klavier.
Nach der Pause ertönt das Klaviertrio in a-moll von Piotr I. Tschaikowsky. Das Violoncello eröffnet mit einem Klagegesang, den die Geige und das Klavier übernehmen. Schon bald spielt jedes Instrument seine eigenen Weisen, doch alles in einem wunderschönen Zusammenspiel. Wie ein breiter, mächtiger Fluss zur Zeit der Schneeschmelze bahnt sich die Musik den Weg nach Norden, mal listig Hindernisse überwindend, mal kämpferische den Weg zum offenen Meer suchend. Das Klavier lässt die Wellen tanzen, die Geige lässt Wasserspritzer hochschnellen und das Violoncello trägt sicher den grossen, breiten Strom. Ihr melancholisches Motiv ist immer wieder zu hören. Geige und Klavier übernehmen diese Stimmung, variieren sie geschickt, mal ruhig, mal lebhaft, stets spannend. Da wird die russische Seele gezeigt, sehnsuchtsvoll, doch auch bauernschlau und mit beiden Füssen auf der Erde stehend. Ihre innere Spannung zeigt sich, wenn die Geige in den höchsten Tönen und das Violoncello in der tiefsten Lage daherkommen. Witzige Melodiefolgen spielt das Klavier, humorvoll zeigen Violoncello und Geige, dass sie mithalten können. Ein markanter Marsch kommt daher, gefolgt von einer Fuge, welche das Klavier beginnt. Alle drei Instrumente steigern sich zu einem fulminanten Höhepunkt. Der Fluss hat den Weg erkämpft, sein Ziel erreicht. Seine gewaltigen Wassermassen ergiessen sich ins offene Meer. Da zischt und kocht das Wasser, doch da wird auch ausgeruht und die kurze Helle des nördlichen Sommers genossen. Wie Fliegen schwirren die Pizzicati der Geige über die Wasserfläche. Feurig und überschäumend tönen die Schlussmotive und enden überraschend in einem zarten, fast schon andächtigen Moll.
Das Publikum dankte mit einem langen und herzlichen Applaus. Als Zugabe ertönte etwas Heiteres, Beruhigendes. Es war „Après un rĂŞve“ von FaurĂ©. Damit ging eine musikalische Sternstunde zu Ende.
Wohler Anzeiger, 31. März 2009
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FrĂĽhe BlĂĽte der Romantik
bos. Vergangenen Sonntag lud der Konzertfonds Wohlen zu einer Musikstunde in der reformierten Kirche in Wohlen ein. Das Arion Streichquartett, ergänzt mit einer Oboe, spielte Werke aus der Romantik und dem 20 Jahrhundert.
Den Anfang macht das Streichquartett in D-Dur von Louis Spohr. Lebhaft macht die erste Geige, gespielt von Stefan Läderach, den Auftakt. Sie hat das Sagen, gibt Motive an. Der Cellist Daniel Schaerer unterstützt sie kräftig, virtuos. Auch die Sechzehntelnoten sind klar und deutlich herausgearbeitet, stehen wie gemeisselt da. Die andern Streicher, Christina Amato mit der Violine und Michael Schwendimann mit der Viola, fügen sich auf ihre Art in den musikalischen Fluss ein. Die Streicher zeigen, was in ihren Instrumenten steckt. Da ist Dynamik von Fortissimo bis zu subtilen Pianos, getragen langen Tönen und wunderschönen Sforzatos, dazu reichhaltige Phrasierungen. Ein kurzes, spritziges Motiv, dann überraschende Pausen, gefolgt von Variationen des Motivs bringen Witz und Charme. Die Pausen zeigen deutlich, auch in der Stille ist Musik. Ruhig leitet das Cello das Finale ein. Sanfte, fast zärtliche Töne kommen aus dem bauchigen Instrument. Auf diese Ruhe antworten die beiden Geigen in einem schnellen Tempo. Auch die Viola erkämpft sich immer wieder eine Melodieführung. Die tieferen Streicher versuchen sehr schnell der ersten Geige die Dominanz zu nehmen, welche ihrerseits die erste Rolle nicht aufgeben will. Das erinnert an eine Fuge von Bach. Cello, Viola und die beiden Violinen in beschwingtem Wechsel.
Die Phantasy op. 2 von Benjamin Britten bettet sich wunderbar zwischen die beiden Werke aus der Romantik ein und zeigt mit Unerwartetem klar das 20. Jahrhundert. Mit Kurt Meier, Oboe, kommt ein Künstler mit Weltklasseformat dazu. Den bunten, warmen Klangteppich bringen die Streicher, die Oboe bringt mit ihrem anderen Klangkörper einerseits Spannung und andererseits Glanz und Jubel. Geheimnisvoll macht das Cello den Anfang. Wehmütig und sehnsuchtsvoll ist die Stimmung. Da erklingt die Musik ruhig und erinnert an die Weite des Meeres. Doch feurig wie Lavaströme ergiessen sich mit der Oboe neue Klangelemente ins Wasser, zischen kurz auf und versinken wieder in Ruhe. Spritzige Pizzicati herrschen vor. Dann plötzlich geben tänzerische, stampfende Streicher den Rhythmus an, daneben rebelliert die Oboe und setzt fast zu einem Überflug an. Das Cello hat wieder die letzten, fast wie Schneeflocken verfliegenden Töne. Den leisesten Schlusston hat dieses dicke Instrument.
Nicht ganz unbekannt ist das Quintett in F-Dur von Anton Reicha. Es ist ein Glanzstück für die Oboe. Sie bläst eine liebliche Melodie und die Streicher begleiten sie nicht minder lieblich. Doch zwischendurch zeigen sie, dass sie auch aufbegehren, trotzen und sich gekonnt in Szene setzen können. Kurt Meier zeichnet mit seinem Instrument ganz klar jede Linie, federleicht, oft auftaktig. Er bringt in seinen Händen die Oboe zum Singen, lässt sie leichtfüssig von Motiv zu Motiv hüpfen, ja tanzen. Flink, geschmeidig und weich wie ein Wiesel lässt die Oboe die Melodien in den Raum gleiten. Dann kann sie wiederum wie ein Vogel im Blätterwerk der Streicher verschmelzen, doch zwischendurch keck und lautstark den Schnabel ertönen lassen. Virtuos wie ein Eichhörnchen klettert sie den Baum hoch und hinunter, freut sich an jedem gelungenen Überraschungseffekt. Es ist ein listiges Hin und Her, fast etwas bäuerisch, schlau, oft tänzelnd. Dazu geben die Streicher Wohlklang und Vertrautheit. Die Viola webt ihren warmen Ton zu einem Samttuch, während das Cello in tiefen Lagen einen sicheren Boden gibt. Erdung ist gewährleistet.
Der Applaus ist lang und herzlich. Die Zugabe ist wie ein Wiegenlied des Mondes, ruhig, freundlich und doch kindlich verspielt. Oboe und Streicher singen abwechseln in Ruhe und Geborgenheit. Da freuen sich ganz offensichtlich Zuhörer und Musiker gleichermassen.
Wohler Anzeiger 28. November 2008
Die wunderschöne Wassilissa
Ein Musikmärchen mit Jolanda Steiner
bos. Erwartungsvolle Freude und Neugier, wie sie nur Kinderaugen haben können, zeigten sich am vergangenen Sonntagmorgen im Rondell der Kantonsschule. Gross und Klein wurde vom Konzertfonds Wohlen zu einer Märchenstunde eingeladen.
Zauberhaft war diese Stunde. Aus der russischen Märchensammlung von Alexander Afanasjew wurde das Volksmärchen „Die wunderschöne Wassilissa“ den Anwesenden näher gebracht. Die Erzählerin Jolanda Steiner fĂĽhrte durch die Geschichte. Ihr Mimik und ihre Stimme waren wie ein Gemälde. Mit ihrem Gesichtsausdruck malte sie verschiedenste Figuren und Stimmungen und ihre Veränderungen in der Sprechstimme gaben unzählige Farben in die Geschichte. Zwischendurch sang sie auch. Mit mehreren Requisiten untermalte sie ihre Erzählung. Vogelgezwitscher, Donner, Drehen des Spinnrades, Aufflackern des Feuers wurden so dargeboten, dass die Kinder gebannt lauschten und von Anfang bis Schluss konzentriert und still da sassen. Anne-Martine Hofstetter begleitete das Geschehen mit ihrem Harfenspiel. Zauberhaft war ihr Spiel, vor allem, wenn sie am Schluss eines StĂĽckes mit ihren Händen ganz zart die Töne dämpfte. Passend zur jeweiligen Stimmung wählte sie MusikstĂĽcke von verschieden Komponisten aus dem 18. und 19. Jahrhundert aus. Zauberhaft war auch das BĂĽhnenbild. Ein mit Sternen ĂĽbersäter Vorhang im Hintergrund, aus Goldpapier gestaltete Berge, eine silberne Zauberkugel, eine mit Edelsteinen verzierte, geheimnisvolle Schatulle und ein goldener Stuhl fĂĽr die Erzählerin entfĂĽhrten schnell in die Märchenwelt. Gleich zu Beginn fĂĽhrte eine liebliche Harfenmelodie das Publikum in die Weiten Russlands.
Nach langem Warten wird der Herzenswunsch eines Ehepaares erfĂĽllt. Ein wunderschönes Mädchen, Wassilissa, wird ihm geschenkt. FrĂĽh muss die Mutter sterben. Doch vor ihrem Tod schenkt sie ihrer Tochter ein PĂĽppchen. Trage Sorge zu ihm, es wird dir helfen, sagt die Mutter. Ein tröstendes Motiv auf der Harfe unterstreicht die Zauberkraft des PĂĽppchens. Das BerĂĽhren der Zauberkugel mit einem Zauberstab verstärkt diese Kraft. Beides kommt immer wieder, wenn vom PĂĽppchen die Rede ist. Den frĂĽhen Tod der Mutter und die Trauer des Vaters nimmt die Harfe auf. Traurig ist die Melodie, doch die Dur-Akkorde wirken wundersam tröstend im Moll-Motiv. Weich und zart sind die Harmonien. Erinnerungen an Debussys Leichtigkeit sind da. Der Vater heiratet wieder. Es ist eine böse Stiefmutter mit ihren zwei Töchtern. Wegen der Eifersucht auf Wassilissas Schönheit und der Streitsucht werden die beiden Stiefschwestern immer hässlicher. Doch Wassilissa wird immer schöner, obwohl sie schwerste Arbeit im Haus verrichten muss. Oft drĂĽckt sie nachts das PĂĽppchen an sich und sucht darin Trost. Eines Tages muss der Vater verreisen und die Stiefmutter zieht mit den drei Mädchen in ein Haus am Waldrand. Es ist ein gefĂĽrchteter Wald, denn darin wohnt die böse Hexe Baba Jaga. Der russische Komponist Mussorgski hat sie in seinem Werk „Bilder einer Ausstellung“ wild und dramatisch beschrieben. Genau so wild und boshaft schildert sie Jolanda Steiner. Mit ihrer Stimme, die mal dramatisch laut, dann wieder geheimnisvoll leise wird, fesselt sie Gross und Klein. Die Stiefmutter schickt Wassilissa in den Wald, um bei der Hexe Feuer zu holen. Dabei hofft sie, das Mädchen werde nicht zurĂĽckkehren. Wassilissa wird von der Hexe zu harter Arbeit gezwungen. In ihrer Not drĂĽckt Wassilissa das PĂĽppchen der Mutter ganz fest an sich. Und das PĂĽppchen tröstet das Kind und verrichtet alle geforderte Arbeit im Hexenhaus. Vogelgezwitscher lässt aufatmen und eine ruhige Harfenmelodie lässt träumen. Schwarze, rote und weisse Reiter pirschen auf ihren Pferden durch den Wald. Anne-Martine Hofstetter bringt mit ihrer Harfe neue Rhythmen. Die Harfe wird ein Resonanzkasten, auf dem sie mit ihren Händen schnelles Pferdegetrappel nachmacht. Da staunen die Kinder mit offenen MĂĽndern! Die Hexe will wissen, warum die viele Arbeit jeden Morgen erledigt ist. Das Mädchen sagt, das PĂĽppchen und die Kraft meiner verstorbenen Mutter sind meine Hilfe. Die Hexe kann den Kräften von guten Geistern keinen Widerstand entgegen bringen, sie wird schwach und bricht zusammen. Wassilissa nimmt vom Feuer und flieht damit. Sie will das Feuer auslöschen, doch dieses rebelliert. Und in den Händen der bösen Stiefschwestern entfaltet es seine zerstörerische Kraft. Beide Mädchen und ihre Mutter werden vom Feuer vertrieben. Wassilissa kehrt vom Waldrand in ihr Dorf zurĂĽck und wohnt nun bei einer alten Frau. Die Harfe zeigt die glĂĽckliche Stimmung mit fröhlichen Klängen. Beim MĂĽtterchen spinnt Wassilissa wunderschöne Fäden und webt damit einen zarten Stoff. Er ist so wunderbar, dass die alte Frau damit zum Zaren geht. Dieser bestellt sofort seine besten Schneider, um daraus ein Kleid zu nähen. Doch der Stoff zerreisst jedesmal unter deren Fingern. Die alte Frau will wissen, wie das Mädchen Faden und Stoff macht. Es sagt, es sind das PĂĽppchen und die Kraft meiner Mutter. Nun näht das PĂĽppchchen das Kleid und die alte Frau und Wassilissa bringen es dem Zaren. Dieser ist von der Schönheit des Mädchens so angetan, dass er es seinem Sohn zur Frau gibt. Das wundersame PĂĽppchen darf endlich ausruhen. Ein Schlaflied wird auf der Harfe gespielt. Es klingt ruhig, dann jedoch ĂĽberraschen emsige Tonfolgen. Mal tönt es hell, mal dominieren dunkle Töne. Es ist ein HarfenstĂĽck des französischen Komponisten Godefroid, und er trifft damit sehr gut die verschiedenen Stimmungen im Märchen.
Zum Schluss wurde das Geheimnis der Schatulle gelüftet. Der Deckel öffnete sich und viele kleine, silberne Zauberkugeln wurden den Kindern geschenkt. Gute Kräfte und gute Wünsche sind in den Kugeln verborgen. Der anschliessende Applaus war herzlich. Sogar die Kleinsten klatschten verzaubert mit.
Wohler Anzeiger 07. November 2008
Wiener Lieder und Schrammelmusik
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Konzertfonds Wohlen zu Gast im Café Widmer
bos. Wenn Klappern von Besteck, Klirren von Gläsern, Kaffeeduft und ungezwungenes Geplauder die Konzertbesucher empfängt, weist das auf einen besonderen Ort hin. Mit dem charmanten „GrĂĽss Gott, gnädge Frau“ wusste jeder Gast, wohin die Musik entfĂĽhrt. Das Wiener Ensemble spielte auf
Beschwingt und beherzt griff der Pianist Karl Wenzler in die Tasten. Mit Wiener Schmäh setzten die beiden Sänger Andreas Wenziger und Guido Pfiffner ein. Die beiden Musiker Dieter LĂĽthi und Guido Arnet untermalten diskret mit den Geigen. Immer lustiger und bunter wurde die MelodiefĂĽhrung. Herrliche, etwas in die Länge gezogene Pausen liessen jedem Besucher noch Zeit, den letzten KrĂĽmel Kuchen herunter zu schlucken. Die beiden Sänger fĂĽhrten mit Ansagen, Geschichten, Anekdoten und viel Witz durch das Programm. Gespielt wurde Schrammelmusik, eine Art Wiener Musik, wie sie heute noch im Heurigen, in den Kaffeehäusern auf den Plätzen, am Strassenrand oder in einer verwinkelten Gasse der Weltstadt gespielt wird. Das „alte Wiener Fiakerlied“ erzählt vom Streit zweier Kutscher, ob sich das Pferd bei „HĂĽ“ oder „Hot “ in Trab setzt. Da sich die beiden Geiger nicht entscheiden konnten, wer die erste Geige spielt, setzte sich der Streit auch in ihren Instrumenten fort. Die zweite Geige war so dominant wie die erste, welche zwischendurch etwas schmollend ins zweite Glied zurĂĽck trat. Bestimmt begleitete das Klavier. Es gab den Takt an. Witzig und leichtfĂĽssig liessen die beiden Geiger ihren Geigenbogen ĂĽber die Saiten hĂĽpfen. Wunderschöne, verspielte Glissandos gaben Farbe. In die Länge gezogene Töne weckten Neugier. Da bekamen die vielen Crescendi schon etwas Privates, fast Intimes. Wiener Walzer wurden zum besten geboten. Das Geheimnis des Wiener Schmähs wurde etwas gelĂĽftet. Jeder tĂĽchtige Dirigent und Musiker zählt beim Walzer ganz fleissig eins, zwei, drei. Nicht so der Wiener. Er zählt eins, zwei – vielleicht drei. Diese kleine, fast mikroskopische Verzögerung vor dem dritten Schlag gibt den speziellen Schwung und Dreh. Es sind geschickt eingesetzte, kaum vernehmbare, kleinste Verzögerungen und fein heraus gearbeitete Pianos, welche geheimnisvoll und neckisch zugleich sind. Das alles steht zwischen den Noten geschrieben. „Ein Dirigent muss diesen Rhythmus nicht dirigieren, sondern jeder Musiker muss ihn im Blut haben. Und wenn er es nicht hat, fuchtelt der Dirigent vergebens mit dem Taktstock herum.“ Vom phänomenalen Auftakt des Dirigenten Kurt Furtwängler wurde erzählt. Die Wiener Musiker hatten damit keine MĂĽhe, sie gingen locker nach dem Lust und Laune Prinzip damit um. Was soll’s. Die Musik gefiel! Mit einer Hommage an Hans Moser wurde das Wesen einer Reblaus besungen. Es ist schon eine seltsame Sprache, diese Mischung aus Hochdeutsch und Wiener Dialekt. Auch wenn nicht jedes Wort verstanden wurde, die Sprache der Musik erreichte alle. Erinnerungen an das weite Donautal, eine Schifffahrt auf dem schönen, blauen Fluss, Schokoladekuchen, Rufen der Fiaker, Geklapper von Pferdehufen auf den Pflastersteinen vor dem Stefansdom und die Wiener Lebenslust lebten auf.
Nach der Pause kam auch der Vierertakt ins Spiel. Geschickt setzten die Geigen ihr Pizzicato ein. Zuerst sangen die Sänger von einem sĂĽssen, kleinen Dackel. „Je kleiner die Tiere, um so mehr sind sie geliebt von den Wienern.“ Das konnte jeder hören. Hohe Geigentöne brachten Schmelz. Das „Handschuhmacherlied“ begann das Klavier, leicht, fast luftig. Verhalten folgten die Geigen, um so selbstbewusster trugen die Sänger ihren Teil vor. Der Schalk blitzte immer wieder aus ihren Augen. Eine Geige ĂĽbernahm diesen Schalk, mit hohen, vibrierenden Tönen. Die andere Geige holte den zittrigen Ton auf die Erde zurĂĽck und das Klavier passte mit seiner strengen Taktvorgabe auf, dass sich keiner in einer Wiener Seitengasse verirrte. Die Sänger brachten mit Charme ihre Darbietungen. Mal waren die zwei Herren Sänger, dann Geschichtenerzähler, Dramatiker, Komödianten, Schauspieler, Komiker, Kabarettisten oder wiederum ganz ernsthafte Spassmacher. Ihre Mimik sprach Bände. Lacher erfĂĽllten das kleine CafĂ©. Die Wiener Operettenwelt war nah. Da wurde erzählt und gesungen von Liebe, Sehnsucht, Herz – Schmerz, Heimweh, Blauem Blut, Schlauheit und Wiener Lebensart. Das SchlussstĂĽck „Wien bleibt Wien“ liess das Publikum vollends in die Weltstadt eintauchen. Es ist eine Stadt voll Musik, Lebenslust, Witz und dem unnachahmbaren Schmäh. Die Geigen sangen, das Klavier gab den Takt an und die Sänger erzählten mit Humor vom guten Wein.
Schräge Töne leiteten die Zugabe ein. Doch bei genauem Hinhören wurden die Geigen immer lieblicher und das Klavier, zwar streng im Takt, immer vornehmer, fast adlig. Die Sänger überbordeten beinahe vor Spass und Freude. Wer schon mal in Wien war, sonnte sich wohlig in Erinnerungen. Wer noch nie dort war, verspürte Sehnsucht dorthin zu gehen. Mit einem herzlichen Applaus und leckeren Pralinen wurde den Musikern für die wunderschöne Kaffeezeit gedankt.
Wohler Anzeiger 19. September 2008
Orchesterzauber
Aargauer Symphonie Orchester im Casino Wohlen
bos. KĂĽrzlich lud der Konzertfonds Wohlen das Aargauer Symphonie Orchester zu einem Konzert ein. Unter dem Motto „Orchesterzauber“ fesselten die Musiker schon nach wenigen Takten die Zuhörerinnen und Zuhörer. Die Leitung hatte Douglas Bostock.
Mit einem verhaltenen Auftakt der Hörner begann das Scherzo Capriccioso von Antonin Dvorak. Doch schon bald untermalten die Streicher die Bläser und steigerten sich zu einem musikalischen Feuerwerk. In langsamen Passagen zeigten sich Sehnsucht und Schwermut des Ostens. Tänzerische Rhythmen liessen träumen. Solistische Einlagen der Bläser boten eine abwechslungsreiche Stimmung und Dynamik. Mal hatten Flöte und Fagott ein zärtliches Zwiegespräch. Dann übernahmen Horn und Harfe die Zwiesprache, eher luftig, leicht, verspielt und auch mit Bodenhaftung. Immer wieder führten die eher ruhigen Melodien zu einem klangvollen Ganzen des gesamten Orchesters.
Ein Höhepunkt war das Konzert fĂĽr Violine und Orchester von Piotr I. Tschaikowsky. Solist war Raphael Oleg. Da spielte in einer fast ungewohnt lieblichen Art die Sologeige mit den andern Streichern. Die russische Seele war hörbar, spĂĽrbar. Klagend, singend, zwischendurch auch aufbegehrend, dann wiederum neckisch, tanzend und vor Lebensfreude fast ĂĽberbordend zeigte sie sich. Doch sie war immer beherrscht, diese russische Seele. Die Sologeige spielte Töne, die in der Höhe an die Grenze des menschlichen Hörvermögens gingen. Da waren Stille und Spannung im Saal fast greifbar. Ruhig dargebotene Glissandos liessen wieder aufatmen. Der Zuhörer kam nicht darum herum, an eine russische Landschaft zu denken, wo sich weit draussen in der Ebene Himmel und Erde im Dunst berĂĽhren, etwas undurchsichtig, doch voll Leben und Ăśberraschungen. Die „Canzonetta“ war weitgehend ein Frage- und Antwortspiel zwischen Sologeige und Orchester. Dabei hatten auch andere Instrumente kurz einen Soloeinsatz. Das gab Farbe, das bot Kurzweil. Wunderschöne Pianos voll Spannung, Kraft und Ausdruck setzten Glanzpunkte. Da dominierte schlicht das Wesentliche. Der Solist Raphael Oleg spielte mit grösster Konzentration, fast Ernsthaftigkeit. Sein Geigenspiel war ein Singen. Seine Mimik spiegelte viele Stimmungen. Ein plötzliches Lächeln und Strahlen zeigten Freude und Leidenschaft an dieser russischen Musik. Mit Virtuosität und Leichtigkeit in der Schwere liess er seine Geige von einem Ăśberraschungseffekt zum nächsten hĂĽpfen. Sein Spiel begeisterte. Nach einem langen Applaus spielte er eine Courrante von Bach. Es war ein Ăśbergang von Russland an den Sächsischen Hof, von Wildheit zu Wohlklang.
Die Tanz-Suite von Bela Bartok lebte vom Wechsel. Da wechselte in raschem Tempo der Rhythmus. Mal war es ein bekannter Dreier- oder Vierertakt, dann plötzlich sprengte die Taktangabe jedes vertraute Muster. Es war eine wildes Durcheinander, ein Wirrwarr und darin auch FĂĽlle. Da wurde beschleunigt und verlangsamt. Dem ständigen Rhythmuswechsel konnte der Zuhörer kaum folgen und er fĂĽhlte sich in einem Meer von verschiedensten Takten und Tempoangaben fast verloren, hoffend, dass der Dirigent einen sicheren Anker auswarf. Und er tat dies mit einer Selbstverständlichkeit. Doch auch in den Motiven und in der Dynamik war ständiger Wechsel. Da tönten die Bläser, vor allem die Flöte, sehr verspielt, und daneben schwelgten die Streicher in Disharmonien. In dieser Tanz-Suite war ein Wechsel von Luftigkeit, einem davonfliegenden Vogel gleich, und einer Schwere, die an umgepflĂĽgte Erdschollen erinnerte. Bei den Polowetzer Tänzen aus der Oper „FĂĽrst Igor“ von Alexander Borodin stand der Zuhörer in Bezug auf Rhythmus wieder auf festem Boden. Ein bekanntes Motiv trat immer wieder in den Vordergrund. Die Becken begannen dies bestimmt, die Streicher ĂĽbernahmen den hohen Ton und purzelten gekonnt und mit Leichtigkeit in die Tiefe. Zwischendurch blitzten helle und hohe Töne auf und gaben dem Ganzen eine pikante WĂĽrze. Da folgte ein zartes Motiv, dort eine kernige Reibung. Das machte Spass und fĂĽhrte zu einem fulminanten Schlussakkord.
Das Aargauer Symphonie Orchester spielte grossartig, kraftvoll, virtuos und sehr dynamisch. Die vielen jungen Musiker gaben dem Orchester Frische und Flexibilität. Grossartig war auch sein Dirigent Douglas Bostock. Er verstand es, diese jugendliche Frische zu übernehmen. Bei den Fortissimi stand er da wie ein Fels in der Brandung, sicher, ruhig, durch nichts zu erschüttern. Mit leichten Impulsen von Taktstock und Hand führte er da seine Musiker. Und er war auch voll innerem Feuer für diese Musik. Seine Begeisterung, Lebhaftigkeit und Freude war in den Veränderungen von Tempo und Dynamik hör- und sichtbar.
Ein herzlicher und langer Applaus war der Dank des Publikums. Wer an jenem Abend kam und hörte erlebte eine zauberhafte Musik.
Wohler Anzeiger 6 Juni 2008
Nacht-Musique & Ballettmusik
Bläsersolisten Aargau in der reformierten Kirche Wohlen
bos. Letzten Freitagabend lud der Konzertfonds Wohlen zu einem Konzert der Bläsersolisten Aargau in der reformierten Kirche ein. Konzerte mit Bläsern wecken beim Zuhörer grosse Erwartungen. Wer kam und hörte konnte sich freuen. Nebst den Blasinstrumenten wirkte der Kontrabass als einziges Streichinstrument etwas exotisch, was dem Ganzen eine spezielle Note verlieh. Die Grösse des Ensembles ermöglichte einen schlanken Klangkörper mit einer klaren Tiefe in Horn, Fagott und Kontrabass. Das Ensemble war auch gut der Grösse der Kirche angepasst und bot eine abwechslungsreiche Dynamik.
Die Bläserserenade in c-Moll für ein Bläseroktett von W. A. Mozart erklang als erstes. Die ersten Töne des Allegros sind düster, schwer, fast melancholisch. Doch bald ertönt die Oboe und führt über zu Leichtigkeit und Helle. Sie übernimmt die Melodie und singt sich nach wenigen Takten in die Herzen der Zuhörer. Wie Lichtkringel schwebt und tanzt sie über dem warm ausgelegten Teppich der tiefen Blasinstrumente. Zwischendurch setzen die Hörner Akzente, nie aufdringlich laut, sondern sanft sich einbettend in den Klangteppich. Das Andante beginnen die beiden Klarinetten. Sie sind tonangebend und werden mit mozartscher Lieblichkeit von den Oboen getragen. Diese tragen zwischendurch eine neue Melodie vor. Die Hörner stehen dem in nichts nach, erfinden ihrerseits neue Melodien, tönen voll und warm. Der Wechsel von einer Melodie zu einer andern ist unverwechselbar Mozart. Ein oder zwei Töne genügen und die neue Melodie steht ganz selbstverständlich im Raum. Die Oboe eröffnet das Menuett. Sie beginnt schnell, reisst die anderen mit. Das Fagott tritt hervor. Mit seinem sumpfigen Klang markiert es den Untergrund. Im Allegro haben anfänglich Fagott und Oboe ein Zwiegespräch. Das Fagott tümpelt virtuos daher, die Oboe gibt auf luftige Art ihre Antwort. Doch dann warten Klarinetten, Hörner und der Kontrabass mit erdigen Tönen auf und holen die zwei anderen auf den Boden zurück. Nicht nur die Oboe, auch Klarinette, Hörner und sogar das Fagott singen ein Lied, variieren es, tragen es mit Liebreiz vor, treten in den Hintergrund, übergeben die Melodie abwechselnd einem anderen Instrument, um nach ein paar Takten wiederum in einem vollen Klangkörper zu brillieren. Die Schlusstakte zeigen Mozart von seiner schönsten Seite. Es ist eine Kombination von Lieblichkeit, Anmut, Überzeugung und Kraft.
Nach der Pause werden die Zuhörer in eine ganz andere Klangwelt geführt. Peter I. Tschaikowskys berühmtes Nussknacker-Ballett wird geboten. Nicht nur neue Klänge, auch andere Rhythmen und andere Harmonien ertönen. Neu kommt die Querflöte dazu und sie hat schnell die Regiefäden in der Hand. Wie eine bunte Girlande kann sie hinauf und hinunterschweben. Zum neuen Klang gehören auch eine Bassklarinette und ein Englischhorn. Bestimmt treten sie auf, geben neue Farbigkeit. Mal dies, mal ein anderes Instrument spielt kurz einen Solopart. Dann wiederum reiben sich die Instrumente in kleinen Tonschritten, kämpfen miteinander, spielen Verstecken und zeigen sich unerwartet im Vordergrund. Hier gibt der Kontrabass weitgehend den Rhythmus an. Er tut dies mit Lebhaftigkeit, ja fast Flatterhaftigkeit, doch sehr bestimmt und präzis. Aus dem grossen Bassgeigenbauch sprudeln dunkle, warme Töne und zeigen deutlich wo es lang geht. Doch der Kontrabass kann auch schnarren, scharren und schaben. Frech wie eine kämpferische Ente schnattert das Horn in den Raum, wenn ihm stellenweise mit einem Dämpfer der Grundton weggenommen wird. Dann laden Fagott und Hörner die anderen ein, bei einer Tempobeschleunigung mitzumachen. Der versetzte Walkingbass der Hörner macht das Ganze lebhaft, spritzig, fast überschäumend von Tempo und Bewegung. Und der Nussknacker tanzt. In einem russischen Tanz bewegt er sich schwer wie ein Bär, und doch hat er seine Kraft wohldosiert und tritt sanft mit seinen Tatzen auf. Anders ist die Tarantella. Spaniens Sonne glüht. Die Hörner bringen es fertig, den Klang der Kastagnetten nachzumachen. Quirlig und lebhaft ertönen Klarinette und Querflöte. Der arabische Tanz reisst mit. Er beginnt mit einer wunderbaren Ostinato-Begleitung, vorgetragen von Fagott, Bassklarinette und Kontrabass. Diese drei Instrumente legen einen wunderschönen orientalischen Teppich, in den die hohen Blasinstrumente ihre fröhlichen Farben und Muster weben. Gekonnt legen die Hörner schräge Töne hinein. Es ergeben sich neue Melodien, die von Halbtonschritten leben. Der Rhythmus ist wie scharfer Paprika. Das lebt, das gefällt. Da wirbeln und drehen sich Derwische, übermütig, wild. Sie schlagen Purzelbäume und machen Luftsprünge. In ihren bunten Kleidern fliegen sie durch die Luft und der Nussknacker wirbelt mit. Das Englischhorn will auch mitmachen und ja keinen Takt verpassen. Kunststück, dass es sich kurz ganz virtuos zeigt. Und die Querflöte muss mitsingen, mitjauchzen und den Farben Glanz geben. Offbeat macht den Rhythmus interessant. In einem wilden Durcheinander geht es zum Schlusswalzer. Im vertrauten Dreivierteltakt lässt sich der Nussknacker drehen. Für einen Augenblick tanzen Raum und Zeit Walzer, feierlich, fast festlich.
Die Zuhörer dankten mit einem herzlichen Applaus. Nicht nur das Metall der Blasinstrumente strahlte. Da leuchteten und glänzten die Augen von Musikern und Zuhörern um die Wette. Als Zugabe erklang ein weiteres Stück von Peter I. Tschaikowsky. Einerseits war es beruhigend wie ein Bettmümpfeli und andererseits weckte es Neugierde auf weitere Konzerte dieser hervorragend spielenden Bläsersolisten.
Wohler Anzeiger, 8. April 2008
Marita und ihr Herzenswunsch
bos. Wenn es vor Beginn einer Vorstellung etwas lauter und unbeschwerter ist als üblich, lässt das auf ein anderes Publikum schliessen. Und beim Entdecken der vielen Sitzkissen und niedrigen Bänke vor den Notenständern wurde auch klar warum. Der Konzertfonds Wohlen hat zu einem musikalischen Märchen im Rondell der Kanti eingeladen. Die geflüsterte Neugier der Kinder und ihre fragenden Augen liessen auch die Erwachsenen aufmerksam werden.
Unter der Leitung von Christoforo Spagnuola musizierte das Aargauer Kammerorchester. Gleich zu Beginn verstand es der Leiter, mit einem humorvollen Auftakt die Aufmerksamkeit der Kinder zu packen. In Mundart stellte er einige Instrumente vor, welche im Märchen eine ganz bestimmte Rolle haben. Der Erzähler Jörg Bahn fesselte die Kleinen und Grossen mit seiner Stimme, welche er sehr dramatisch einzusetzen verstand. Er erzählte aus der Welt der Kinder, ihrer Wunschwelt. Er liess Seifenblasen durch die Luft fliegen, ein Zeichen für die vielen Wünsche. Die Wünsche sind farbig, wir können sie riechen. Wir können sie kaufen oder nicht kaufen. Das Mädchen Marita musste mit seinen Eltern in die Stadt ziehen. Doch es hat Heimweh nach seinem Dorf und seinen Schulkameraden. Die Geige spielt die Sehnsucht der kleinen Marita, verträumt und zart. Wenn Marita abends im Bett liegt schaut sie zum Mond und denkt ganz fest an ihren grossen Wunsch, ihren Herzenswunsch. Im Warenhaus der Stadt kann man einen Herzenswunsch nicht kaufen, aber vielleicht kann der Mond deinen Herzenswunsch erfüllen, meint die Mutter. Und wenn der Mond durchs Fenster scheint, spielt die Oboe eine Melodie voll Sehnsucht, Erwartung und Hoffnung. Den Glanz des Mondes gestaltet die Harfe, quirlig und luftig. Erfüllt der Vollmond den Herzenswunsch des Kindes? Marita will zum Mond gehen, der gross und rund über dem Dach des Warenhauses steht. Auf dem Weg begegnet sie der Katze. Pfiffig, lustig spielt die Klarinette diese Rolle, leicht jammernd, miauend und auch ein bisschen schmeichelnd. Eine Ratte läuft den beiden über den Weg. Nun ertönt die Posaune, bestimmt, etwas schräg und man sieht das Tier keck und frech um die Ecke schielen. Eine grosse Maus geht auch mit. Die Querflöte spielt ihren Part, eine schöne Melodie voll Charme und Grazie. Nun begegnen sie einem Hund. Das Fagott ist an der Reihe. Es spielt selbstbewusst, die Töne können sogar bellen und mit aufgestelltem Schwanz geht der Hund mit Marita und den anderen Tieren mit. Auch die Tiere haben Herzenswünsche. Es sind Wünsche, die man im Warenhaus kaufen kann. Die Klarinette kommt immer wieder zum Einsatz, denn der Katze ist es nicht ganz wohl um Hund, Maus und Ratte. Die Krallen werden gezeigt. Die Klarinettentöne werden schärfer und spitzer. Die Krallen werden eingezogen. Die Klarinette spielt weich und besänftigt. Die Tür zum Warenhaus ist verschlossen. Das Piccolo kündigt das Mäuschen an, das sich im Schlüsselloch versteckt. Seine Melodie ist verspielt und leicht trippelnd. Das Mäuschen öffnet die Tür und Marita und die Tiere gehen die Treppe im Warenhaus hoch. Gekonnt und listig zeigt das Vibrafon, wie alle vorsichtig die Treppe hochtrippeln. Da marschiert auch die Musik. Sie zeigt das Verheissungsvolle und auch Unheimliche im dunklen, leeren Warenhaus. Erinnerungen an Gerschwin werden wach. Mal laut mal leise spielt das Orchester, denn der Nachtwächter im Warenhaus muss überlistet werden. Da sehen die Tiere ihre Herzenswünsche in den Regalen ausgestellt. Marita schweigt über ihren Wunsch. Man darf einen Herzenswunsch nie sagen, sonst geht er nicht in Erfüllung. Marita muss aufs Dach. Da steht der Mond, riesengross und schön. Die Oboe schwelgt in ihrem warmen Klang. Lange und getragene Töne in Streichern und Bläsern zeigen Sehnsucht und Erwartung. Der Mond kennt Maritas Herzenswunsch. Doch die Erfüllung braucht Zeit und Geduld. Das Cello übernimmt die Antwort des Mondes. Es ist eine weiche, getragenen Melodie mit einem offen Schluss. Marita hüpft durch die Stadt, zurück in ihr Bettchen. Witzig und fröhlich wird das Geschehen musikalisch umgesetzt. Im Bett liegend denkt das Mädchen ganz fest an den Herzenswunsch und schläft mit diesem Gedanken ein. Ruhig wandert der Mond weiter. Zum Schluss lässt der Erzähler nochmals Seifenblasen fliegen.
Witzig und fröhlich wurde das Geschehen musikalisch umgesetzt. Die Erwachsenen schmunzelten, lächelten und hätten gerne noch länger zugehört. Die Kinder sassen still auf ihren Kissen und Sitzbänken. Auch sie lächelten und hörten schon fast andächtig zu, mit neugierigem Glanz in den Augen und offenem Mund. Sie waren fasziniert von der Erzählung, der Musik und den tanzenden Seifenblasen, die keines erhaschen konnte. Wer weiss, welche Herzenswünsche sich dahinter verbergen!
Wohler Anzeiger, 13. Oktober 2007
Ein Jubilar fĂĽr die Jubilare
Der Konzertfonds widmete sein Jubiläumskonzert Edvard Grieg
sh. Seit 40 Jahren hat sich die Stiftung Konzertfonds der Förderung des kulturellen Lebens verschrieben. Das runde Jubiläum wurde musikalisch gefeiert. Pate stand ein weiterer namhafter Jubilar: Edvard Grieg.
Sabina und Alois Bürger nahmen sich mit Querflöte und Klavier seiner und durch ihn beeinflusster Musik an und liessen sie in der Kantonsschule Wohlen wieder aufleben.
Nach der allseits bekannten „Morgenstimmung“ aus der „Peer Gynt“-Suite folgten Kompositionen von Carl Nielsen, Schüler bekannter Freunde Griegs, und Walter Giesekind. Giesekind huldigte dem Grossmeister mit Variationen über bekannte Themen.
Das Musikerehepaar Bürger vermochte das bis auf den letzten Platz besetzte Rondell mit seinem weichen Spiel zu verzaubern. Die lyrischen Kompositionen Griegs wurden durch den warmen Kontrast von Flügel und Querflöte treffend zum Ausdruck gebracht. Sowohl Nielsons Wechselspiel zwischen traurigen Moll- und freudigen Dur-Klängen als auch Giesekinds romantisch-expressionistische Tonsprache fügten sich hervorragend neben die Grieg-Interpretationen. Die drei Komponisten verband nämlich nicht nur eine biografische Verwandtschaft, sondern auch eine zutiefst musikalische – und es war diese, die dem Konzertabend seinen ganzheitlichen Anstrich verlieh.
Nach dem musikalischen Teil gab J. Rudolf Isler, aktives Gründungsmitglied und langjähriger Präsident, interessante Einblicke in die Anfangsjahre des Fonds:
Im Jahre 1957 sei er angefragt worden, für die geplante Aufführung des Requiems von Johannes Brahms Unterstützungsgelder zu sammeln. Das budgetierte Defizit der Aufführung fiel dann jedoch wesentlich niedriger aus, die Geldeinnahmen zudem wesentlich höher als geplant, und die Idee eines Konzertfonds sei geboren worden.
Zehn Jahre später wurde der Fonds dann in eine richtige Stiftung umgewandelt. Einen einzigen Anlass mit Gewinn habe der Konzertfonds in seiner Geschichte veranstalten können, und Misserfolge habe es auch gegeben. So erinnerte er sich etwa an ein Konzert mit einer mexikanischen Musikergruppe, welches nur gerade fünf Zuhörer interessierte.
Das Ziel jedoch sei eindeutig erreicht worden: „Ein bisschen Kultur bringen – denn genau das braucht Wohlen“ meinte J. Rudolf Isler augenzwinkernd.
Wohler Anzeiger, 23. Oktober 2007
Der Konzertfonds Wohlen zu Gast im Café Widmer
„In einer kleinen Konditorei… „
bos. Am letzten Sonntagnachmittag war das Café Widmer fast zu klein, um den vielen musikinteressierten Gästen einen Platz anzubieten. Zigeuner- und Wiener Kaffeehausmusik, Duft nach Kaffee und Schokolade, zwischendurch rassige Rhythmen, all das prägte die Stimmung im Café.
Sofort hörte das sonntägliche Kaffeegeplauder der Zuhörerinnen und Zuhörer auf, als Arlette Hock-Meier, Violine, den Geigenbogen hob, und Felix Gubser am Klavier die weissen und schwarzen Tasten tanzen liess. Alle Farbtupfer zwischen Schwarz und Weiss liessen die beiden Musiker aufleuchten. Gleich zu Beginn fesselte ein fröhlicher Bolero mit lautem und leisem Aufjubeln der Geige und markiger Klavierbegleitung. Pastorale und Zigeunermarsch von Oskar Rieding entfĂĽhrten in die Weiten der ungarischen Pussta. SchwermĂĽtig, fast klagend klang die Hirtenmusik. Aufrecht und stolz, sowohl in der Geige wie im Klavier, kam der Marsch daher. Neckisch präsentierten sich die ganz leichten Tempoveränderungen. Spannende, kurze Pausen gleich zu Beginn des nächsten StĂĽckes liessen aufhorchen und Kaffee und Kuchen fĂĽr Augenblicke vergessen. Der ungarische Tanz von Brahms ĂĽbermittelte bekannte Melodien und Rhythmen. Geige und Klavier wetteiferten im Takt, liessen einige FĂĽsse unauffällig mittanzen, und draussen im Kaffeegarten legte eine Zuhörerin ein Tänzchen hin. Die folgende Mitternachtsmusik liess träumen von Fernweh, Mond und tausend Sternen. Ganz passend dazu folgte der Salut d’amour. Er liess noch mehr Träume offen und fĂĽhrte zu einem wunderschönen, langen Schlusspiano der Geige. Der Geigenbogen schien zu schweben. Mit Emerich Kalmans „Komm, Zigany“ wurden die Klänge vertraut, lieblich, auch etwas schwermĂĽtig, dann wieder fröhlich tanzend. Der Zigeuner ist angekommen und bittet sein Mädchen zum Tanz. Und flirtete da nicht leicht im Verborgenen eine bekannte Operette mit dem Publikum, verschmitzt und verlockend sĂĽss wie der Kuchen auf dem Teller. Auch Anton Rubinsteins Melodie in F zauberte Wiener Lust und Wiener Lebensfreude ins kleine CafĂ©. Geige und Klavier harmonierten aufs Schönste, auch in den kleinsten Tempovariationen. Das Piano am Schluss war perfekt, wie Puderzucker hingestreut. Es folgten „Budapester Klänge“. In dieser Stadt wird getanzt. Dem Rauschen der Donau werden Verspieltheit, träges Dahinfliessen und freches, quirliges Strudeln abgelauscht. – Die Pause versetzte wieder in die Wirklichkeit . Die Bedienung hatte plötzlich alle Hände voll zu tun. Die etwas andere Kaffeestimmung wurde vordergrĂĽndig.
Doch das Wiegenlied von Townsend entfĂĽhrte die Gäste auf sanfte Art und Weise wieder in den Osten. Grosse TonsprĂĽnge im Klavierpart lullten nicht ein, sondern erforderten neue Aufmerksamkeit. Und die Geige zeigte aufs neue ein spannungsvolles Piano. Der Atem konnte stocken. Das war Kunst. Die Werke von Kreisler setzten mit Dissonanzen neue Akzente, wirkten ĂĽbermĂĽtig, dann wieder verliebt, ja fast anmutig im langsam und schneller werdenden Dahinschreiten. Ein anderes Temperament sprudelte in einem russischen StĂĽck: HĂĽpfen, gemächliches Ausruhen, Davoneilen und Purzelbäume schlagen. Die Zigeunerromanze „Schwarze Augen“ begann die Geige in leisen Halbtonschritten, liess verfĂĽhren und von schönen Augen schwärmen. Alle lauschten. Nur das leise Surren und Gurgeln der Kaffeemaschine im Hintergrund liess die Wirklichkeit nicht ganz beiseite. In der Ciarda war nochmals das gekonnte Zusammenspiel von Klavier und Geige hörbar. Jedes Instrument zeigte sowohl seine Virtuosität wie auch sein subtiles Eingehen auf den andern. Ăśberzeugend kam die „Slawische Klage“ daher, beseelt, traurig und wieder hoffend. Die Geige klagte in höchsten und tiefsten Tönen, laut und leise. Zartschmelzende Versuchung! Den Beginn des Czardas gestaltete der Pianist markig, aufbegehrend. Jeder musste zuhören, denn nun tanzten Geige und Klavier zusammen. Glänzende Stiefel, wirbelnde Röcke und sirrende Geigenbögen tauchten innerlich auf und luden ein zu einem feurigen Ringelreihn. Am Schluss zeigte ein lächelndes Zuzwinkern der beiden KĂĽnstler ganz offensichtlich die Freude am gelungenen Musizieren.
Der herzliche Applaus und die beiden Blumensträusse waren mehr als verdient. Nicht nur die Schokoladenstreusel und Glacekugeln auf den Tellern, sondern auch viele Herzen waren in der Zwischenzeit geschmolzen. Es war ein etwas anderes, besonderes Konzert an einem speziellen Ort. Ein Genuss für Ohren, Gaumen und Gemüt.
Wohler Anzeiger 11. September 2007
Musik mit frischem Wind
Das Bläserquintett „conVentus“ bot in der reformierten Kirche ein beeindruckendes Konzert
bos. Hochkarätige Musiker hat der Konzertfonds Wohlen letzten Donnerstagabend zu einem Konzert in der reformierten Kirche in Wohlen eingeladen. Das Bläserquintett „conVentus“ musizierte mit frischem Wind und phantasievollen Einfällen. Schon das Programm verhiess Neues, auch Ungewohntes. Und da wurde geblasen und musiziert mit Präzision und Brillanz. Fröhlich begann ein Werk von Franz Danzi. Neckisch und frech spielten Robert Pickup, Klarinette, und Martin Frutiger, Oboe. Das Fagott, gespielt von Patrik LĂĽscher, zeigte seinen Reichtum an Klang beim Einschwingen der Töne. Das Fagott, ein eher sumpfiges Instrument, schnarrend und auf dem Wasser blubbernd, hatte ganz offensichtlich Wohlgefallen in der Tiefe. Tänzerisch wurde musiziert und manch Zuhörer wähnte sich in der Klassik. Guckt da Mozart zwischen den Notenlinien hervor? Im Menuett legte die Klarinette ein rasches Tempo vor. Die andern Instrumente mussten mitmarschieren, ob sie wollten oder nicht. Um Klangschönheit wurde richtig geeifert und gerungen und sie wurde immer wieder im harmonischen, klar intonierten Zusammenspiel erreicht.
Es folgte „Summer Music“ von Samuel Barber, einem Komponisten aus dem zwanzigsten Jahrhundert. Horn und Fagott stimmten andere Klänge an, verschroben, schräg, suchend, auch klagend, immer kurzweilig. Spannende Pausen wechselten mit rasanten Tempi. Sommerglut war spĂĽrbar, das Vibrieren und Zittern der Luft ĂĽber dem heissen Asphalt hörbar. Gershwin lässt grĂĽssen! Die Flöte, gespielt von Andrea KollĂ©, konnte aufblitzen und mit Sonnenlicht flirten. Mischa Gruell, Horn, liess seine Töne so richtig schwelgen und in der Sommerwärme liegen und ruhen. Das Horn gab Bodenhaftung mit seinem ruhigen, bestimmten Klang. Das tat gut, denn die Oboe und Klarinette sangen um die Gunst des Zuhörers, während dem das Fagott mit seinem tiefen Ton sanft begleitete und an milde Sommerabende denken liess.
Ein paar Takte des Komponisten Gustav Holst und etwas Schwungvolles, Lautes und zugleich Sanftes und Leises wurde angekündigt. Seine Musik kam daher wie ein Fluss. Jedes Instrument spielte eigenwillig und war doch auf gemeinsame Harmonie bedacht. In einem Allegretto spielten Flöte und Oboe aufbegehrend, fast zornig, dann wieder lieblich und verspielt. Witzig begleitete die Klarinette, etwas verliebt in tiefe Tonlagen. Die Flöte durfte hell aufleuchten, Anmut und Stolz zeigen. Die tiefen Instrumente Horn und Fagott trugen sie auf Händen. Mit off-beat gab das Fagott auch Rhythmus und Schwung. Fast träumerisch schweifte das Horn weg. Liebäugelte es mit der Venus aus der Planeten Suite?
Fremd, ungewohnt und höchst spannend begann die Komposition des Zeitgenossen György Ligeti. Sechs Bagatellen waren angesagt. Kein Instrument geizte mit seinem Können. Die Oboe sang, während dem die Klarinette eher klagte und jammerte, wohldosiert, nie übertrieben. Und die Flöte behauptete sich lausbübisch in hohen Lagen, während dem das Fagott in ruhiger, ausdauernder Art daher schritt. Das Horn beobachtete die Klangwelt in lauten, langen Tönen und liess hören wie es variieren kann. Mal laut oder leise, mal sinnlich oder metallhart. Das Ostinato brachte als neues Element zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten, welche sich wohltuend einfügten. Glanzmomente leuchteten auf. Die Zugabe erstaunte die Zuhörerschar mit einem tief tönenden, kurzen Überraschungseffekt. Das war nochmals Lust und Freude an der Dynamik. Mit herzlichem Applaus dankte das Publikum.
Wohler Anzeiger 29. Juni 2007
Konzert des Konzertfonds Wohlen im Rondell der Kanti
„… Und inwändig voller Figuren“
bos. Es war ein Konzert der besonderen Art, welches die zwei Musiker mit Weltklasseformat am letzten Samstagabend darboten. Die Zuschauerinnen und Zuschauer hörten fast zwei Stunden aufmerksam, gebannt und fast schon andächtig zu. Die Musik von Oliver Schnyder, Klavier, und Stefan Tönz, Violine, war Spielen vom Feinsten. Ihr Zusammenspiel harmonierte aufs Schönste. Beim Zuhören wurde jedem klar, warum es in der deutschen Sprache und auch in vielen anderen Sprachen heisst, ein Musikinstrument spielen, nicht machen oder tun oder schaffen. Vorne stand der „homo ludens“. Das Spiel war wie bei Kindern, einfallsreich, phantasievoll, unbekĂĽmmert, fröhlich, witzig, auch mal trotzig. Das Selbstverständliche des Kinderspiels paarte sich mit dem Wissen des Erwachsenen um den Wert des Spieles. Und diese beiden Elemente brachten die KĂĽnstler herĂĽber, zogen das Publikum in ihren Bann. Das Programm stimmte. Innere Figuren und Bilder sprudelten voll Klang und Freude in den Zuschauerraum.
Das Werk von Schumann begann in eher tiefen Tönen, verträumt, sich langsam zu hellen Tönen vortastend. Die Geige sang, zart und wuchtig in schnellen Wechseln. Und in perfekter Übereinstimmung machte das Klavier mit, nahm die Impulse von Verlangsamung und Beschleunigung im Tempo auf. Der Pianist sang mit, mit Kraft und Feinheit aus dem ganzen Körper heraus. Das Schwungvolle von Schumann wurde gespielt und voll ausgekostet. Beim Schlussakt stand der Geiger wie ein Lausbub da, der gerade ein Glanzstück an Virtuosität vollbracht hatte. Die Konzentration wich einem Lächeln. Die Freundlichkeit von Mendelssohn folgte als nächstes. Das Klavier begann, lieblich, mit wohldosierter Spannung. Die Geige übernahm diese, weniger ernsthaft, dafür mit Anmut und Getragenheit. Fröhlich, fast tänzerisch wetteiferten die beiden Instrumente miteinander. Es war ein Spiel. Wer war stärker? Klavier oder Geige? Es war auch eine Zwiesprache der beiden, neckisch, intelligent und die Geige wurde zwischendurch auch mal frech. Überraschungseffekte blieben da nicht aus.
Im zweiten Teil wurden gleich zu Beginn andere Töne angeschlagen. Die Musik kam aus einer neueren Zeit. Die Sonate von Janacek begann im Klavierpart mit einer einfachen Tonfolge und schwoll an zu einem breiten Fluss. Wie kleine und grosse Fische tummelten sich die Geigentöne im Wasserstrudel des Klaviers. Die Fische sprangen auf, erhaschten blitzschnell einen Leckerbissen und tauchten wieder in ihr Element zurück. Dann wiederum erinnerte die Geige an eine Bachstelze, die flink über die Wasseroberfläche schwirrte. In dieser Musik wurde erzählt, geplaudert, geflüstert und zugehört. Die Geige gab den Ton an, aber das Klavier bestimmte, wo es lang geht. Doch zwischendurch rebellierte die Geige, witzig und übermütig. Mit der Sonate von Grieg sprach ein nordisches Gemüt. Da tauchten Wälder auf, Waldlichtungen nahmen Formen an, Bauernhöfe in der Nähe von Tromsö standen da, das fleissige Arbeiten der Landleute war hörbar. Schwere und Helle von Norwegens Erde und Himmel lebten in Tasten und Geigenstrich. Da wechselten Offenheit und Enge der Fjorde, ausdrucksvoll, voll Innigkeit und Zauber. Rhythmisch anspruchsvoll war das letzte Allegro. Es war eine Spannung zwischen Davoneilen und Bleiben, zwischen strenger Beherrschtheit und lieblichem Nachgeben. Berührend war ein Schlussakkord. Stefan Tönz intonierte lupenrein und hell ein Piano. Oliver Schnyder machte ebenso bescheiden mit. Das ging zu Herzen.
Mit Standing Ovation dankte das Publikum. Und die beiden Musiker dankten mit einer Zugabe von Schubert. Doch Klänge und innere Figuren leben weiter.
Wohler Anzeiger,  1. Mai 2007