Wohler Anzeiger, 10. Mai 2019, Artikel von Klara Bosshart-Schwaller
Konzert vom 5. Mai 2019, Rondell Kantonsschule Wohlen
Klavierduo Arte Animi: Samuel Fried und Yuka Munehisa
Musikalische Weltklasse in Wohlen. Nur für eine Konzertdauer, jedoch mit einem langen, nachhaltigen Eindruck. Der Konzertfonds hatte ins Rondell der Kanti eingeladen und überraschte mit einem Programm für ein Klavier zu vier Händen.
Es spielen der in Wohlen aufgewachsene Samuel Fried und seine Ehefrau Yuka Munehisa aus Japan. Die beiden nennen ihr Klavierduo „Arte Animi“. Und schon die ersten Takte von Francis Poulencs Klaviermusik unterstreichen diesen Namen. Die Melodien übersprudeln vor Leben. Und die Seele jubelt mit. In diesem Stück wird der Klang erforscht. Grossartig ist die Abwechslung zwischen ostinato Rhythmen und verträumtem Dahinfliessen. Plötzlich leuchten Akkord-Blitze auf. Auffallend ist die Dynamik, von stampfenden Forti zu fast stillen Piani. Da hat es langsame Rhythmen im Bass und obendrauf eine zarte Melodie. Jeder Ton ist gestaltet, von einem prägnanten, starken Anschlag bis zu einem Piano, das listig unter die Haut kriecht. Das Publikum lauscht ganz still. Das Programm folgt nach Ansage. Mit seiner frischen und sympathischen Art stellt Samuel Fried die einzelnen Werke vor. Es folgen vier Stücke von Claude Debussy. Wunderschön ist der Anfang. Akkorde tanzen durch Räume. Aus dem nichts tauchen sie auf, drehen und winden sich und entschwinden in den nächsten Raum. Voller Überraschungen ist diese Musik, gleicht einem Kaleidoskop. Und da tänzeln plötzlich kapriziöse Pferde im Raum. Selbst in den Pausen klingt die Musik weiter. Hell strahlen die Räume, hell sind die Melodiebögen und durchsichtig wird gespielt. Das Menuett kitzelt das Ohr. Leichte Schwingungen berühren die Ohrmuschel. Da stellen sich die Härchen im hintersten Gehörgang ganz aufrecht. Zuhörerinnen und Zuhörer sind aufmerksam, neugierig und still beglückt. Alle sind mucksmäuschenstill. Da sind nur die ausdrucksstarken Klaviermotive und offene Ohren und offene Herzen gefragt. Im Ballett tanzen nicht nur die Hände bis in die Fingerkuppen, da tanzen vier fröhliche Augen mit. Und zwei Körper bewegen sich dezent und beschwingt dazu. Das Vor- und Nachgeben im Tempo ist wunderbar elastisch. Alles scheint leicht und versonnen. Da sind vier Hände und doch ist alles wie aus einem Guss. Es folgen drei Préludes von George Gershwin. Die ursprüngliche Fassung wurde für vier Hände arrangiert. Klassik und Einfluss des Jazz prägen diese Musik. Etwas Neues liegt in der Luft und lässt aufhorchen. Sogar die kurzen Pausen machen neugierig. Der Bass legt ein tolles rhythmisches Gerüst hin und grummelt dazu behaglich in der Tiefe. Und darüber fädeln sich verträumte Motive ein. Merkmale aus dem Blues bringen neue Farben. Packende, schnelle Passagen und vertrackte Rhythmen wechseln sich ab. Und doch ist eine wunderbare Ruhe in allen Übergängen. Es folgt ein kurzer Abstecher zu einem zeitgenössischen Komponisten aus Australien. In seiner Musik liegt Partystimmung. Sie brennt auf der Zunge. Die hohen Töne verstärken den Geschmack nach Paprikaschoten und schnüffeln am Gaumen. Auf dieser Party wird auch getanzt. Charleston ist Trumpf. Der Rhythmus geht durch den ganzen Körper. Da fällt nicht nur den beiden Pianisten das Stillsitzen schwer. Unauffällig wippen Füsse mit. Lustig und verspielt tanzen die Töne, rumzwirbelnden Kindern gleich. Neckisch sind die Verlangsamungen und Beschleunigungen und herrlich leicht die Entlastungen. Und alles in einem unglaublich genauen Zusammenspiel. Ein Ohrenschmaus!
Nach der Pause folgt „An American in Paris“ von George Gershwin. Schon die Reise über den Atlantik steckt voller Schalk und Überraschung. Schiffssirenen, Nebelhörner und turbulentes Wasser sind in die Komposition eingebaut. Was bringt der Gentleman aus New York in seinem bunten Koffer mit nach Paris? Rhythmen, Tanz, eine fesselnde Dynamik, packende Motive, Pausen voll innerer Spannung und sehr viel Sehnsucht. Die liegt in den Piani. Und das alles wird von den zwei Künstlern auf einem Silberbrett präsentiert. Wobei beim Servieren durchaus ein neckisches Balancieren Platz hat, einerseits sichtbar in allen Bewegungen von Kopf und Hand bis Fuss, andererseits hörbar in einer pulsierenden Lebendigkeit. Diese Musik atmet. Jeder Ton wird ausgekostet. Der Ragtime Rhythmus wird unterbrochen durch schwierige Passagen. Und dann folgt ein beseelter Abspann. Da sind Fülle und feinste Gesten so nah beieinander. Einfach herrlich!
Beim letzten Stück von William Volkers brodelt der Bass und die Füsse stampfen. Ein Ragtime blinzelt hervor. Und jeder kann mit dem Rhythmus dieser Musik seine eigene Reise machen, auch in der Karibik tauchen, wenn er will. Es folgt ein genialer Szenenwechsel. Yuka Munehisa steht auf und legt einen Stepp Tanz hin. Die Füsse klacken und stampfen und Samuel Fried hält gekonnt mit Bassregistern die Stellung. Und mit einer Selbstverständlichkeit greift die Pianistin dann wieder in die Tasten. Das Ganze ist ein toller Kehraus und geht über in einen fulminanten Schluss.
Die beiden Zugaben sind einerseits voll schneller Rhythmen, andererseits sind sie liebevoll und zum Träumen. Das Publikum ist begeistert und dankt mit einem frenetischen Applaus und Standing Ovation. Dieses Konzert schenkte einen Moment, da war ein musikalischer Himmel auf Erden.