• Schlosskonzert „Nordwärts“

    Posted on Juni 16, 2019 by in Allgemein, Presse

    Wohler Anzeiger, Mittwoch, 12. Juni 2019
    von Klara Bosshart-Schwaller

    7. Juni 2019, Schlössli, Wohlen
    Autor und Lesender: Ulrich Knellwolf
    Vokalquartett „Kammertonquartett“

    Wer beim Namen „Schlosskonzert“ an Schlossgeister, Burgfräuleins und edle Ritter dachte, erlebte etwas ganz anderes. Der Konzertfonds hatte ins „Schlössli“ eingeladen und brachte mit dem Programm „Nordwärts“ eine Überraschung.

    Ulrich Knellwolf, Autor und Lesender, und das Kammertonquartett gestalten einen Konzertabend voll Spannung und Humor. Den Anfang macht ein schwedisches  Lied mit der Melodie „Zum Tanze da ging ein Mädel mit güldenem Band“. Damit ist das Publikum sofort in einer Welt voll Liebe und Schönheit. Dann beginnt Knellwolf seine Geschichte. Das Thema sind die Wikinger. Er erzählt vom Traum der Nordländer nach dem Süden und ihrer Abenteuerlust. Elegant sind die Wikingerschiffe, die mit Drachenkopf und Drachenschwanz ausgestattet sind und durch neue Gewässer nach Süden fahren. Rollo ist der Anführer der mutigen Wikinger. Seine Beine sind so lang, dass jedes Pferd für ihn zu klein ist. Die Entdeckerreise führt die starken Nordmänner nach Dänemark, Rhein, Aare und Limmat hinauf zur Siedlung Wipkingen bei Zürich. Der Name ist womöglich eine Dialektform von Wikinger und Rollo denkt, er habe seine Urheimat gefunden. Überglücklich verliebt er sich gleich in eine Dorfschönheit. Der Wein in der Umgebung fliesst reichlich. Er ist zwar so sauer, dass  er nur mit Honig gesüsst trinkbar wird. Doch die Reise geht weiter an Zürich vorbei bis zum Heiligen Meinrad bei Einsiedeln. Der raue Bursche aus dem Norden schlägt diesem den Schädel ein, denn er hat nichts mit dem Christentum am Hut. An dieser Stelle wird später das Kloster Einsiedeln gebaut. Nach der Rückkehr flussabwärts und übers Meer nach Oslo wird es still um Rollo. Doch dann hört er von Paris und er macht sich erneut auf Entdeckungsreise. Paris ist wohl der Name für das irdische Paradies. Dorthin rudert und segelt er und steckt Siege und Rückschläge ein. Rollo muss erfahren, dass das Paradies nicht auf Erden zu finden ist.

    Die Geschichte wird immer wieder unterbrochen von Liedern aus dem Norden. Es singen Elisabeth Germann, Sopran, Susanne Wiesner, Mezzosopran, Valentin Johannes Gloor, Tenor und Stefan Vock, Bass. Schon mit den ersten Takten wähnt sich das Publikum in den grossen Weiten und den grünen Wäldern des Nordens. Die Lieder sind wunderschön gestaltet und grossartig gesungen. Die Intonation ist stets lupenrein. Alle vier Stimmen passen bestens zusammen, keine dominiert und wenn eine Solostimme das Motiv singt, gehen die anderen drei diskret zurück. Da  sind Ausgewogenheit und Gestaltung auf höchstem Niveau. Da werden die Mädchen, Blumen, Vogelgezwitscher und Blaubeeren auf unterhaltsame Art besungen. Dahinter steckt auch ein Leben voll Freude, trotz des unwirtlichen Wetters. Beim Brandschatzen und Plündern in Köln wird der Gesang traurig, nur der Sopran schwingt sich noch hell obenauf. Ungewohnte Akkorde erinnern an Friedhof und Grabblumen. Mollklänge gehören dazu. Doch in Basel tönt lustig das Lied  „Z Basel am mim Rhii, ja do möchte i sii.“ Es ist eine reiche Stadt. Da wollen die Wikinger den Hennen die Eier greifen. Und in Baden an der Limmat herrscht Fröhlichkeit, auch dank des Weins. Die Motive sind lüpfig, fast übermütig und laden zum Tanze ein. Dabei strahlen die Augen der Sängerinnen und Sänger. Bemerkenswert ist ein schwedisches Lied, das nahtlos übergeht ins Schweizerlied „S’Vreneli ab em Guggisbärg“. Die Volkslieder liegen so nah, da sind keine Grenzen. Sehnsucht und Heimatgefühl sind überall. Bei der Ankunft Rollos und seiner Gefährten beim Heiligen Meinrad werden die Lieder dramatischer. Mordlust liegt in der Luft. Wenn vorher vor allem in Piani die Sehnsucht ausgedrückt wird, so überwiegt plötzlich ein Forte. Der Pilgerverkehr den Zürichsee hinauf nach Einsiedeln macht auch müde. Ganz neckisch und passend ist hier ein Ostinato. Gleichmässig sind die schweren Schritte. Bei der Belagerung von Paris  ist nicht Kriegsgeschrei im Vordergrund, sondern die Heimat im Norden. Frühlingssonne, Hirten und Lämmer. Nur hin und wieder zeigen sich in den Forti  Kampfgeist und Energie, doch in den Piani überwiegt die Sehnsucht nach dem Paradies. Lieblich, ja fast zärtlich ist die Melodie.  Kernig und ausdrucksstark singt der Bass. Die Tenorstimme rankt sich wie Efeu um die hohen Töne und der Mezzosopran bringt Samt und Wärme ins Quartett. Und darüber strahlt und lacht der Sopran. Alle Stimmen verschmelzen zu einer Einheit, die schlichtweg grossartig ist. Wenn vier Stimmen sich auf diesem hohen Niveau finden, ist ein Stück Paradies hier auf der Erde. Vor allem, wenn mit so viel Freude gesungen wird. Das letzte Lied „S’isch mer alles ei Ding, ob i lach oder sing“, in schwedischer Sprache  gesungen, gleicht einer Welle. Sie ist frisch und spritzig und trägt sicher die Wikingerschiffe zu neuen Ufern.

    Ulrich Knellwolf erzählt seine Geschichte mit Schalk und einem Augenzwinkern. Diese spannende Geschichte von Rollo und den Wikingern ist nicht ganz ernst zu nehmen. Und doch hat sie letztlich einen Kern Wahrheit. Der hat es in sich, unverrückbar. Das Konzertprogramm zeigt einen grossen Kontrast mit zwei ganz unterschiedlichen Stimmungen. Da ist einerseits die Geschichte mit den Wikingern, in der es raubeinig und handfest zur Sache geht. Andererseits sind da die Lieder aus Schweden, mit kurzen Abstechern in die Schweiz, welche von der Schönheit der Heimat erzählen.

    Herzlich ist der Applaus. Das Publikum ist begeistert. Allen im Schlössli, dem Erzähler, dem Kammertonquartett und dem Publikum machte dieser Abend grossen Spass.

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