Konzert vom 6. Juni 2013, 20.00 Uhr, Rondell Kantonsschule Wohlen
Barokorchester Capriccio
Leitung: Dominik Kiefer, Tanz und Choreografie: Norbert Steinwarz
bos. Etwas Neues ist im Programm „Capriccio tanzt“. Es ist die Kombination von Barockmusik mit einer Solotänzerin. Die Neugier des Publikums im gut besetzten Rondell der Kanti am Donnerstagabend war gross.
Mit verhaltenem Klang beginnt die Theorbe, dieses Saiteninstrument mit einem enorm langen Hals und markigen, doch strahlenden Basstönen. Reymond Huguenin spielt es hervorragend. Die andern Musiker kommen aus verschiedenen Richtungen dazu und sofort wird es spannend, tänzerisch. Wie aus dem nichts bewegt sich plötzlich die Tänzerin Michal Berger W. Poladian im Raum. Bei ihr bewegen sich nicht nur Beine und Füsse, nein, der ganze Körper und auch Mimik sind in harmonischer Bewegung. Sie trägt ein weisses Hemd und als einziges Requisit einen rosaroten Schirm. Und dazu fliesst die Musik von Francesco Durante wie ein breiter, ruhiger Fluss. Dieser stürzt unerwartet über Stromschnellen, sprudelt und zischt und beruhigt sich wieder beim Lächeln der Tänzerin. Schon zu Beginn erobert die Tänzerin den ganzen Raum, steigt, ja fliegt die Treppe hoch und versteckt sich hinter einer Mauer. Das Solo der Theorbe lockt vergebens aus dem Versteck. Die feinen Läufe, die knallharten Anschläge und das Auskosten der Abschlüsse bringen nichts. Gelingt es dem Solisten Dominik Melicharek mit seiner Melodie auf der Oboe? Verlockend, betörend, ja schmeichelhaft ist das Adagio aus dem Oboen Konzert von Giuseppe Sammartini. Da ertönt fröhliche Tanzmusik, doch die Tänzerin bleibt weg. Nahtlos geht es über zu einer Suite von Georg Philipp Telemann. Schwere Schritte machen den Einstieg, dann folgt ein leichtfüssiger Teil. Trugschlüsse und unerwartete Pausen häufen sich. Lustige Übergänge erklingen wie Dudelsack Motive. Die Tänzerin rutscht in einem braunen Kleid die Treppe herunter. Ein riesengrosser Deckelkorb ist ihr Requisit. Mit kecken, übertrieben spasshaften Gesten versucht sie zwischendurch das Orchester zu dirigieren. Und dieses macht den Spass mit. Ein Mädchen in der ersten Reihe wird in Tanz und Spiel miteinbezogen. Wie strahlen die Augen des Kindes, als es getragen von der Tänzerin wie ein Schmetterling durch die Luft schweben kann. Nur gut, dass die Musiker den Bodenkontakt halten mit tiefen Tönen und einer herrlich erfrischenden Temposteigerung.
Überraschend bringen schräge Töne und Dissonanzen einen neuen Ausdruck. Daraus entwickelt sich ein neckisches Spiel zwischen Violinen und Tänzerin. Da will auf einmal das ganze Orchester mittanzen. Die Musiker folgen der Tänzerin durch den Raum nach hinten. Dieser Spuck gleicht dem Rattenfänger von Hameln. Nur das Cembalo hält die Festung und holt mit einer Folge von gleichen Akkorden die Musiker wieder zurück. Und wunderschön gleitet die Darbietung in die Fortsetzung des Oboen Konzertes von Sammartini. Mit ihren tiefen Tönen setzt die Theorbe kurz Glanzlichter neben das zarte Spiel der Oboe. Doch schon fordert das hervorragend spielende Orchester wieder auf zum Tanz. Sie spielen ein kurzweiliges Quodlibet von Carlo Farina. Die Tänzerin ist wieder da, diesmal elegant gekleidet und mit Augenmaske. Erfrischend sind die Tanzrhythmen, schräge Töne wecken Spannung. Die Geigen ziehen alle Register, um raffinierte Effekte zu erzielen. Da ist ein toller Rhythmus mit Bogenschlägen. Flageolett-Töne bringen etwas Sphärisches. Pizzicato und Portamenti überborden sich. Lustige Einfälle sind in dieser Musik versteckt wie Rosinen in einem Gugelhopf. Und etwas Bezauberndes liegt im Raum. Es ist dieses gelungene Zusammenspiel von Musik und Bewegung. Und nochmals überraschen Schalk und quirlige Einfälle. Die Geigen miauen. Die Bratschen bellen. Die Füsse stampfen und die Tänzerin schwebt wie ein Vogel mit ihren durchsichtigen, türkisblauen Flügeln im Abendlicht. Beim letzten Teil des Oboen Konzertes von Sammartinti spielt die Oboe einen Husarenritt. Tempo Teufel komm raus! Das Cembalo leitet über zur Suite von Henry Purcell. Wie eine Prinzessin erscheint die Tänzerin. Königliche Würde, Neugier, ja auch Unsicherheit bringt sie zum Ausdruck. Da darf sie die Musiker ruhig mit ihren fragenden Blicken stören. Das Finden eines Königsgewandes verleitet zu überbordendem Tanz und anschliessendem Schlaf. Der Gesang der Oboe gleicht einem Traum. Und mit traumwandlerischer Sicherheit tanzen fast alle. Es gleicht dem Tanz an einem Königshof. Lange Schritte, Drehungen und wunderschönes Wiegen im Rhythmus der Musik. Und während die Saiten- und Blasinstrumente langsam verstummen, spielt das Cembalo unermüdlich seine Melodie bis zum letzten, leisen Akkord.
Die Kombination von Barockmusik und Tanz ist gelungen. Diese Ausstrahlung und diese Spielfreude sind einfach grossartig. Da bleiben nur noch ein herzlicher Applaus, Blumensträusse und Standing Ovation.